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Im Zug mit … Olaf Zimmermann

Interview mit dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates

Olaf Zimmermann
Olaf Zimmermann (Bild: Tim Flavor / © Deutscher Kulturrat)

Seit Beginn der Lutherdekade begleitet der Deutsche Kulturrat die Vorbereitungen für das Reformationsjubiläum mit einer Luther-Kolumne in seiner Zeitung „Politik & Kultur“. Doch die Vorbereitungen der Feierlichkeiten sollen nach Ansicht von Olaf Zimmermann, dem Geschäftsführer des Verbandes, nicht allein der Evangelischen Kirche und dem Staat überlassen werden. In den kommenden Monaten will der Deutsche Kulturrat mit eigenen Veranstaltungen an das 500. Reformationsjubiläum im nächsten Jahr erinnern: Bis 2017 plant der Kulturrat mehr als ein halbes Dutzend Veranstaltungen sowie eigene Publikationen. Wir begleiteten Olaf Zimmermann auf dem Weg nach Berlin. Mit dem Publizisten sprachen wir über die Rolle der Zivilgesellschaft bei den Vorbereitungen, die mediale Vermittlung der Reformation und über „Martin Luther Superstar“. 

luther2017.de: Herr Zimmermann, warum sollte man heute noch, nach 500 Jahren, die Reformation feiern?

Olaf Zimmermann: Weil die Wirkungen der Reformation auch heute noch, nach 500 Jahren, überall spürbar sind. Die Reformation ist ja mehr als nur eine Glaubens- oder Kirchenspaltung gewesen, sie war ein fundamentaler Umbruch in der Welt und hat letztendlich auch ein ganz neues Denken hervorgebracht. Ohne die Reformation wäre so etwas wie individuelle Freiheit oder der gesamte Weg, der zur Aufklärung geführt hat, nicht in der bekannten Form denkbar gewesen. Deshalb ist das, was vor 500 Jahren passiert ist, heute noch genauso aktuell wie damals.

luther2017.de: Vergangene Woche erklärten Sie, dass man das Reformationsjubiläum nicht allein Kirche und Staat überlassen dürfe. Wo sehen Sie noch Entwicklungspotential bei den Vorbereitungen für das Jubiläumsjahr?

Olaf Zimmermann: Dazu muss man sehen, dass Kirche und Staat über lange Zeit – mindestens die letzten 150 Jahre – eine ganz enge Allianz eingegangen sind, wenn es um die Reformationsfeierlichkeiten ging. Diese Feierlichkeiten wurden oftmals auch zu politischen Proklamationen missbraucht. Da ging es letztendlich um Fragen der Nationenbildung. Wenn wir  gerade wieder mal einen Krieg geführt haben, war man sich sicher, dass doch letztendlich Martin Luther, wenn er heute noch leben würde, aufseiten der Deutschen stehen würde, etwa gegen den „Erzfeind“ Frankreich. Die sogenannten Deutschen Christen waren sich noch nicht einmal zu schade, 1933 bei den Feierlichkeit zum 450. Geburtstag von Martin Luther zu behaupten, dass der Reformator der natürliche Vorgänger Adolf Hitlers gewesen sei. 

Man kann schon sehen, dass hier im Zusammenspiel von Staat und Evangelischer Kirche sehr viel Schindluder betrieben worden ist. Jetzt, 2017, haben wir meiner Ansicht nach die große Chance, auch aus der Geschichte zu lernen und aus den bisherigen, meist misslungenen Jubiläumsfeierlichkeiten eine neue Art des Feierns zu organisieren. Da ist zuerst die Evangelische Kirche gefordert, die, wenn man so will, selbstverständlich die „Pole Position“ einnimmt, weil sie natürlich auch ein besonders großes Interesse an den Feierlichkeiten hat. Natürlich ist aber auch der Staat einer der wichtigsten Mitspieler bei den Feierlichkeiten, gar keine Frage. Aber es ist eben auch die Zivilgesellschaft gefragt. Hier müssen wir uns eben noch ein bisschen reindrängen, da schon viele Positionen von Kirche und Staat besetzt sind und wir uns als Zivilgesellschaft nach vorne kämpfen müssen. Ich glaube nicht, dass wir auf die ersten Plätze dieses Rennens kommen werden, aber wir werden gut im Mittelfeld stehen und wir werden Staat und Kirche nicht alleine lassen bei dieser großen Feier. 

luther2017.de: Seit Beginn der Lutherdekade begleitet der Deutsche Kulturrat die Vorbereitungen für 2017. Wieso gelangt man erst jetzt, ein Jahr vor dem Jubiläumsjahr, zu der Einsicht, dass die Möglichkeiten der Zivilgesellschaft nur unzureichend berücksichtigt wurden? 

Olaf Zimmermann: Zu dieser Erkenntnis gelangt man nicht erst ein Jahr davor. Ich sage das ja schon seit wir das erste Mal über die Planungen nachgedacht haben, also seit nun knapp zehn Jahren. Seitdem wir uns in den konkreten Vorbereitungen befinden, mahne ich das auch in permanenter Regelmäßigkeit an und sage zu Kirche und Staat, dass sie das nicht alleine machen dürfen. Ich glaube auch, dass das mittlerweile theoretisch verstanden wird und man letztendlich auch weiß, dass man die Zivilgesellschaft braucht. Es gibt niemanden mehr, weder von staatlicher oder kirchlicher Seite, der nicht davon überzeugt ist, wie wichtig es ist, die Zivilgesellschaft mitzunehmen.

„Wir werden es bei diesem Reformationsjubiläum auch niemandem einfach machen“ – Olaf Zimmermann

Aber in der praktischen Umsetzung gibt es doch einen Vorsprung von Kirche und Staat, der schon sehr deutlich ist. Das liegt auch daran, dass sie über die notwendigen finanziellen Mittel verfügen, über die die Zivilgesellschaft nicht verfügt. Deshalb haben wir eine schwierige Ausgangslage. 

Aber wir werden es bei diesem Reformationsjubiläum auch niemandem einfach machen. Wir werden die evangelischen Kirche und die staatlichen Stellen immer wieder an ihre Verantwortung erinnern, auch der Zivilgesellschaft genug Raum einzuräumen. Es reicht nicht aus zu sagen, dass man eine schöne Feierlichkeit organisiert hat. Wir werden auch daran gemessen werden, dass diese der Zivilgesellschaft – und zwar in allen Bereichen – genügend Raum zum Mitfeiern gibt. 

luther2017.de: Sie kündigten auch an, dass der Kulturrat ein eigenes Programm für das Reformationsjubiläum erarbeiten werde. Worauf dürfen wir uns freuen?

Olaf Zimmermann: Wir werden sehr intensiv das Thema Reformation und ihre kulturellen Wirkungen diskutieren. Wir werden eine ganze Reihe von Veranstaltungen durchführen. Darunter sind auch vier Veranstaltungen, die in Kooperation mit Deutschlandradio Kultur und WDR3 abwechselnd in Berlin und Köln stattfinden werden. Das wird eine spannende Debatte zwischen den kirchenfernen mitteldeutschen Kernlanden der Reformation, die früher mal protestantisch waren, und dem nach wie vor katholischen Rheinlanden. Den heute noch spürbaren kulturellen Wirkungen der Reformation in Berlin und Köln nachzuspüren, wird ein spannendes Abenteuer.  

Wir haben gerade ein neues Dossier vorgelegt, „Martin Luther Superstar“, was heftige Diskussionen ausgelöst hat. Alleine die Überschrift hat schon zur Diskussion geführt, ob man die Reformation auf eine einzige Person reduzieren darf. Das machen wir übrigens nicht, aber ich glaube es ist zur medialen Vermittlung der Reformation wichtig, dass man sie auch an Personen knüpft. Martin Luther ist hier sicherlich die exponierteste Person, an der man die Geschichte der Reformation festmachen kann. Die Konzentration auf die Person Luther ist auch deshalb gerechtfertigt, da das Reformationsjubiläum 2017 gerade auch medial vermittelt werden muss. Und eine Grundregel erfolgreicher Medienarbeit lautet, dass eine Person besser vermittelt werden kann als viele und dass über Personen besser Inhalte transportiert werden können als ohne sie.

Es wird noch ein zweites Dossier Anfang des nächsten Jahres geben. Auch da werden wir uns positionieren und es wird sicherlich im Bereich der Zivilgesellschaft viele weitere Debatten geben: was heißt das eigentlich, Reformation heute? Hat uns das heute noch irgendwas zu sagen? Ich bin mir sicher, dass wir auch kritische Auseinandersetzungen mit den kirchlichen und staatlichen Verantwortungsträgern haben werden.   

luther2017.de: Was wünschen Sie sich persönlich für das Reformationsjubiläum?

Olaf Zimmermann: Ich wünsche mir, dass viele Menschen sich mit der Reformation beschäftigen. Damit meine ich nicht nur die eingefleischten Protestanten, die das sowieso tun werden, sondern damit meine ich auch Menschen, die der Kirche fernstehen, die vielleicht irgendwo am Horizont mal den Namen Martin Luther und den Begriff Thesenanschlag gehört haben. Die Menschen die sich irgendwie noch an ihre Schulzeit zurückerinnern können, die aber letztendlich sich nicht weiter mit diesem Thema beschäftigen haben – das ist so nebenbei der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland – und kein Verhältnis zum Reformationsjubiläum haben. Ich hoffe daher, dass es uns allen gemeinsam gelingt, sie mit ins Boot zu holen und zu vermitteln, dass 500 Jahre Reformation  ein wirklich spannendes und wichtiges Jubiläum ist. Das ist nicht nur ein Kirchenfest, das ist nicht nur ein staatliches Fest, sondern es ist vor allem ein Fest von uns allen und wir müssen uns gemeinsam Gedanken darüber machen. Ich hoffe, dass wir es hinbekommen, das Reformationsjubiläum zu einem wirklich großen, öffentlich wahrgenommenen Fest zu machen. Das heißt, dass also wirklich viele Menschen daran teilnehmen, die vor kurzem noch gedacht haben, nie und nimmer würden sie sich mit so einem Thema beschäftigen wollen. 

luther2017.de: Vielen Dank für das Gespräch.


Das Dossier „Martin Luther Superstar: 500 Jahre Reformation“ kann kostenlos geladen werden.