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Die Reformation revolutionierte nicht nur das geistliche Leben, sondern stieß auch eine umfangreiche gesellschaftspolitische Entwicklung an. Ausgehend von Luthers Berufung auf das eigene Gewissen entdeckten die Menschen zunehmend ihre eigene Persönlichkeit – und wurden mündiger gegenüber der Kirche und dem Staat. Das führte zu einer Erosion der uneingeschränkten Macht der bisherigen Autoritäten. Aus der Freiheit jedes Einzelnen entstand die Gewissensfreiheit, die bis heute unser Miteinander in Staat, Kirche und Gesellschaft prägt. Entsprechend erwuchs aus der Reformation ein neues Verständnis von Öffentlichkeit. 

Mithilfe des bereits im 15. Jahrhundert von Gutenberg erfundenen Buchdrucks verbreiteten sich Luthers Schriften explosionsartig im ganzen Land und damit auch die von ihm verwendete Sprache. Luthers Übersetzung der Bibel ins Deutsche war der Grundstein für die Entstehung einer einheitlichen deutschen Schriftsprache. Sie eröffnete erstmals auch den Menschen aus niederen Bildungsschichten einen Zugang zu Sprache, Kommunikation und Medien. Der Buchdruck ersetzte den geistlichen Stand, der bis dahin als alleinige heilsvermittelnde Institution auftrat. Gottes Wort stand jetzt prinzipiell jedem offen, der in der Lage war zu lesen. Die Reformation sorgte so für einen gewaltigen Bildungsschub, denn die Alphabetisierung der gesamten Bevölkerung – Mädchen wie Jungen! – wurde zum neuen Bildungsideal.