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Der deutsche Südwesten und die Flucht vor der Reformation Die Reformation brachte auch Flucht und Vertreibung. Eine Ausstellung in Stuttgart beleuchtet dieses Thema.

Ludwig von Freyberg
Ludwig von Freyberg
 (Martin Schaffner, Mischtechnik auf Lärchenholz, 1521/1524. 
© Staatsgalerie Stuttgart, Inv.-Nr.1031) 

Von 1541 bis 1547 fand Schwenckfeld Exil bei Ludwig(Lutz) von Freyberg im Öpfinger Schloss und bei dessen Sohn Georg Ludwig d. Ä. auf Schloss Justingen.

Das Reformationsjubiläum ist Anlass, die Reformation als religiöses und kulturgeschichtliches Ereignis zu feiern. Dabei stehen die positiven Wirkungen der Reformation im Vordergrund. Was ist aber mit den Menschen, die im Zuge der Reformation aus ihrer Heimat fliehen und sich anderswo eine neue Existenz aufbauen mussten?

Wer sich nicht anpasste, dem drohte Tod oder Vertreibung

Das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg setzt sich anhand von Beispielen mit diesem Aspekt der Reformation in einer Ausstellung auseinander. Unter dem Titel „Flucht vor der Reformation – Täufer, Schwenckfelder und Pietisten zwischen dem deutschen Südwesten und dem östlichen Europa“ wird diese sonst wenig beachtete Perspektive beleuchtet. Schirmherr der Ausstellung ist Baden-Württembergs Minister für Inneres, Digitalisierung und Migration, Thomas Strobl. 

Bis sich die neue Glaubenslehre verfestigt und etabliert hatte, fanden heftige Auseinandersetzungen zwischen den Gläubigen statt. Wer nicht mit der anerkannten Lehre überein stimmte, stand dabei oft vor der Wahl zwischen Emigration, Anpassung oder gar dem Märtyrertod. So entschlossen sich immer wieder einzelne Glaubensgruppen zur Flucht aus ihrer jeweiligen Heimat. Dabei bildeten sich bestimmte Regionen des deutschsprachigen Raums als attraktive Fluchtziele heraus. Südwestdeutschland war sowohl Ausgangspunkt als auch Ziel solcher Emigrationsbewegungen. Wie dem Titel der Ausstellung zu entnehmen ist, konzentriert sie sich auf die Täufer, Schwenckfelder und die Pietisten.  

Täufer, Schwenckfelder und Pietisten: Glaubensflüchtlinge mit unterschiedlichen Zielen

Die Täufer machten die wortgetreue Umsetzung des Bibeltextes im täglichen Leben zum Kern ihres Glaubens. Sie lehnten Familienstrukturen und Privateigentum ab, stellten also die Grundfesten des Gesellschaftssystems in Frage. Wegen Ketzerei verfolgt, flüchteten viele von ihnen nach Mähren, um ihre utopischen Ideen dort zu verwirklichen. Die Ausstellung greift mit einem Hörspiel unter anderem eine misslungene Flucht auf und die folgende Verurteilung wegen Ketzerei. Der Angeklagte Michael Sattler wurde deswegen 1527 in Rottenburg am Neckar zum Feuertod verurteilt.

Nach Südwestdeutschland flüchtete Caspar Schwenckfeld von Ossig. Er hatte sich quer durch alle Glaubensrichtungen Feinde gemacht und auch mit Martin Luther gebrochen. So floh er aus seiner Heimat Schlesien in den Südwesten. Hier wurde er zwar von Adligen und Bürgern aus Ulm und Augsburg unterstützt, beharrte aber auf seinen Glaubensgrundsätzen und wurde so nie wirklich heimisch. Erst nach seinem Tod schlossen sich Anhänger seiner Lehren in Schlesien zu Freikirchen zusammen. Die Ausstellung visualisiert Schwenckfelds weitreichendes Netzwerk und stellt ihn als Revolutionär dar. 

Die Pietisten wandten sich etwa 300 Jahre nach dem Beginn der Reformation von der Staatskirche ab. Da sie sich ihre eigenen Glaubenspraktiken schufen, die spiritueller und privater waren, gerieten sie ins Visier behördlicher Überwachung. Etwa 5000 von ihnen entschlossen sich am Beginn des 19. Jahrhunderts zur Emigration in den Kaukasus. Die strapaziöse Reise mit Quarantäneaufenthalten und Todesfällen kann interaktiv am Touchscreen nachvollzogen werden.

Das Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg setzt sich mit dem gemeinsamen kulturellen Erbe der Regionen im östlichen Europa und Baden-Württemberg auseinander und hält so die Jahrhunderte alte deutsche Geschichte in Ost-, Mittelost- und Südosteuropa im Bewusstsein. Die Ausstellung läuft noch bis zum 8. Juni 2017.

Informationen

Autor:luther2017.de Datum:02-01-17
Schlagworte:
Reformation, Flucht, Vertreibung, Ausstellung, Stuttgart

weiterführende Informationen

Haus der Heimat des Landes Baden-Württemberg

Schlossstraße 92

70176 Stuttgart

+49 711 66951-0