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Mit „Luther 2017“ durch das Land der Reformation

Wenn in wenigen Wochen in Berlin das Reformationsjubiläum eröffnet wird, nähert sich auch die vorbereitende Lutherdekade dem Ende. Selten wurde ein Jubiläum so intensiv und ausführlich von Staat und Kirche geplant. Journalisten aus ganz Deutschland begleiteten in der vergangenen Woche die Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“ auf eine Informationsreise und konnten sich ein ausführliches Bild von den Vorbereitungen machen.

Klaus Weschenfelder
Dr. Klaus Weschenfelder, Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg, zeigt der Journalistengruppe ein Modell der Veste (Bild: Michael Achhammer)

Hoch oben über der oberfränkischen Stadt Coburg erhebt sich die imposante Veste Coburg. Von hier lässt sich das Coburger Umland bis hin zum Thüringer Wald überblicken. Berühmt ist die Festung für einen besonderen Gast, der ein knappes halbes Jahr im Schutze ihrer mächtigen Mauern weilte: der Reformator Martin Luther. Geächtet und gebannt durfte er das damals noch kurfürstliche Territorium nicht verlassen und verbrachte seine Zeit hoch oben über der Stadt mit Schreiben, in Räumen, die heute noch besichtigt werden können.

Ein Blick auf das Staatliche Engagement 2017

„Die Lutherstube ist der emotionale Kern der Ausstellung“, erklärt Klaus Weschenfelder, Direktor der Kunstsammlungen der Veste Coburg, und zeigt auf den Hedwigsbecher, ein herausragendes Ausstellungsstück des Zimmers. Im Hintergrund hängen Portraits von Martin Luther, gezeichnet aus der Hand Lucas Cranachs. Weschenfelder führt gerade eine Gruppe von Journalisten, die der Einladung der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017 zur Pressereise gefolgt sind, durch die Räumlichkeiten der Burg und skizziert die bevorstehende Schau. Mit der Ausstellung ist die Bayerische Landesausstellung im kommenden Jahr gemeint. Denn auch der Freistaat, mehrheitlich katholisch geprägt, nimmt das Reformationsjubiläum als Anlass, seine Landesausstellung unter das Dach der Reformation zu stellen. Sie wird der Beitrag Bayerns zum Reformationsjubiläum sein. Im April 2017 werden deshalb „Ritter, Bauern, Lutheraner“ in die Veste einziehen.

Mit seinem kulturhistorischen Engagement steht der Freistaat nicht alleine da. Auch andere staatliche Akteure rücken 2017 die Reformation in zahlreichen Sonderausstellungen, Konferenzen und Touren in den Mittelpunkt. Die Bundesregierung hat sogar mit einem Kabinettsbeschluss die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien angewiesen, die staatliche Vorbereitungen des Reformationsjubiläums zu koordinieren. Dieser Beschluss unterstreicht die Bedeutung dieses Ereignisses. Ein Großereignis werden deshalb die Nationalen Sonderausstellungen sein. Sie bilden den zentralen Beitrag von staatlicher Seite zum Reformationsjubiläum. Außerdem wird die Bundesregierung am 31. Oktober 2016 einen eigenen Veranstaltungskalender für das Jubiläumsjahr präsentieren. 

Dennoch wird in der öffentlichen Wahrnehmung das Reformationsjubiläum primär als „Kirchenfest“ wahrgenommen. Doch was hat der Staat mit der Reformation zu tun und warum beteiligen sich Bund und Länder so intensiv an den Vorbereitungen für ein – augenscheinliches – Kirchenfest?

Bodo Ramelow im Gespräch
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow im Gespräch mit Journalisten in der Bibliothek des Erfurter Augustinerklosters
(Bild: Michael Achhammer)

Vermessung gesellschaftlicher Werte 

„Der moderne Staat sollte seine Wurzeln nicht verleugnen“, zeigt sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) überzeugt. Im Erfurter Augustinerkloster, einem weiteren authentischen Lutherort, stellt er das Engagement des Freistaates im Jubiläumsjahr vor. Demnach werden alle offiziellen Veranstaltungen im „Kernland der Reformation“, wie Thüringen sich selbst bezeichnet, unter dem Oberbegriff „Reformation“ stehen. Selbst die Landesgartenschau in Apolda widmet sich in Teilen dem Thema. Für Ramelow ist die Reduktion auf die Person Luthers jedoch zu wenig. Vielmehr versteht er das Reformationsjubiläum als ein Echolot zur Neuvermessung der „Bezugspunkte unserer Gesellschaft“. 

Dabei möchte man auch nicht die dunklen Seiten der Reformation verschweigen. „Wenn man über Luther spricht, darf man den alten Luther nicht vergessen“, stellt Ramelow klar und spielt damit auf den Antisemitismus Luthers an. Die Auseinandersetzung damit sei sehr wichtig. Aus diesem Grund habe man sich in Thüringen dazu entschlossen, mit den Achava-Festspielen ein Zeichen für Toleranz und Dialog zu setzen. Der Kernpunkt dieser Festspiele ist der interreligiöse und interkulturelle Dialog. 

Doch was wird vom Reformationsjubiläum nach 2017 bleiben? Der Ministerpräsident ist davon überzeugt, dass sich über das Jubiläumsjahr hinaus das Erreichte gezielt vermarkten lässt. Er sieht die Reformation als einen Werbeblock im Ausland. Internationale Erfahrungen beim Export reformatorischer Ausstellungen konnte man in Thüringen in der Vergangenheit bereits ausreichend sammeln: Die Cranachausstellung in Moskau oder die Beteiligung an „Here I stand“ dokumentieren das Engagement des Freistaates. Ramelow bringt das auf die Formel: „2017 ist kein Schlusspunkt, sondern ein Doppelpunkt“.

Reiner Haseloff mit seiner Frau Gabriele
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff mit seiner Frau Gabriele (l.) und Astrid Mühlmann, der Geschäftsführerin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017" (Bild: Michael Achhammer)

Wittenberg – die „Hardware“ stimmt

Ähnlich sieht das sein Amtskollege, Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). „Das Reformationsjubiläum ist keine Eintagsfliege, denn es soll auch kulturpolitisch und touristisch genutzt werden“, erklärt Haseloff. Im kürzlich renovierten Garten des Melanchthonhauses der Lutherstadt Wittenberg begrüßt er zusammen mit Astrid Mühlmann, der Geschäftsführerin der Staatlichen Geschäftsstelle „Luther 2017“, die Journalistengruppe zum Pressegespräch. Während des gemeinsamen Abendessens schwärmt der katholische Ministerpräsident von den sozialpolitischen Errungenschaften der Reformation. Gerade das Thema Bildung war ein wichtiges Anliegen der Reformatoren um Martin Luther und Philipp Melanchthon. Das könne man nach Ansicht Haseloffs gar nicht oft genug betonen. 

Zur besseren Vermarktung des Themenkomplexes ist man mit Thüringen eine Kooperation zur Auslandsvermarktung eingegangen und wirbt gemeinsam in den USA als „Luthercountry“. Das Ergebnis zahlt sich jetzt schon aus: Jede Woche machen sich Reisegruppen aus den USA auf den Weg nach Mitteldeutschland. Ein Tourismusmagnet ist die Lutherstadt jetzt schon. Viel hat sich in den letzten Jahren getan und Wittenberg strahlt in neuem Glanz. 2017 werden hier die zentralen kirchlichen Veranstaltungen, wie die Weltausstellung Reformation oder der Kirchentag, stattfinden. Immerhin gilt der Ort als „Epizentrum der Reformation“. 

Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) freut sich schon auf das anstehende Highlightjahr. Die „Hardware“ stimme mittlerweile und es sei einiges saniert worden. So wird am 2. Oktober die Schlosskirche, an die der Reformator seine 95 Thesen geschlagen haben soll, nach jahrelangen Sanierungsarbeiten wieder eröffnet – und das mit royalem Glanz. Immerhin hat sich die dänische Königin Margrethe II. angekündigt, die der Wittenberger Schlosskirche einen kostbaren Altarbehang schenken möchte.

Thomaskirche
Ein Besuch in der Thomaskirche (Bild: Michael Achhammer)

Ohne Luther kein Bach?! 

Ein weiterer Bereich, der nachhaltig von der Reformation geprägt wurde, ist die Musik. Martin Luther war ein begabter Lautenspieler und Liedermacher, der uns mehr als 30 Kirchenlieder hinterlassen hat, die ihre Vollendung in den Kantaten von Johann Sebastian Bach (1685-1750) fanden. Wo könnte man daher dem reformatorischen Einfluss auf die Musik besser nachspüren als in der Begegnung mit dem weltberühmten Thomanerchor in Leipzig?  

Gegenüber der Thomaskirche, im Herzen der Stadt, befindet sich das Bach-Archiv. In den Räumlichkeiten stellt der Geschäftsführer des Thomanerchors Stefan Altner das Programm des kommenden Jahres vor. „2017 steht ganz klar im Zeichen des Reformationsjubiläums“, verkündet Altner. Zwei Kabinettsausstellungen werden sich mit dem Einfluss des Reformators auf die Musik Bachs beschäftigen. Dieser hatte in den ersten Jahren, in denen er als Thomaskantor in Leipzig wirkte, für jeden Sonntag eine neue Kantate komponiert und übersetzte damit Luthers Texte in eine „ganz besondere musikalische Form“.

Herzstück der Ausstellungen soll eine wertvolle Partitur aus der Feder Bachs sein. Es handelt sich dabei um die Kantate „O Ewigkeit, du Donnerwort“, die dem Bach-Archiv exklusiv durch die Paul Sacher Stiftung in Basel angeboten wurde – zu einem Preis von knapp zwei Millionen Euro. Sollte dem Archiv der Erwerb gelingen, wäre es für das Museum das erste Mal, dass eine originale Partitur von Bach und der entsprechende Stimmsatz gemeinsam gezeigt werden können. Die zweite Kabinettsausstellung wird sich der Vielfältigkeit der Konfessionen und Religionen in Leipzig zur Zeit Bachs widmen. 

Gerne wäre der Thomanerchor auch beim großen Abschlussgottesdienst zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2017 auf den Elbwiesen in Wittenberg aufgetreten. „Wir haben viel versucht, dabei zu sein“, bedauert Altner. Jedoch sei für den Chor kein Platz mehr im Programm gewesen. Im Jubiläumsjahr will sich der Chor deshalb in weiten Teilen auf Leipzig konzentrieren. Ein fester Programmpunkt im Kalender des Chors ist natürlich das jährliche Bachfest. Unter dem Motto „Ein schön new Lied“ widmet es sich im Juni 2017 der Reformation und dabei in erster Linie dem Einfluss Luthers auf die Kompositionen Johann Sebastian Bachs.

Dauerausstellung in der Veste
Ein Blick auf die derzeitige Dauerausstellung in der Veste (Bild: Michael Achhammer)

Von Rittern, Bauern und Lutheranern

Zurück auf die Veste Coburg. Die Musik wird 2017 hier wohl keine Rolle spielen. Freiheit, Sprache und Bildung werden dafür die großen Themen der Landesausstellung 2017 sein. Die Schau nimmt die Besucher auf eine Reise ins Zeitalter der Reformation mit. Organisiert wird sie vom Haus der bayerischen Geschichte. Bei einem Rundgang stellt Peter Wolf, stellvertretender Direktor des Hauses, klar: „Nicht die Person Luther steht im Mittelpunkt, sondern sein Wirken“. Mit der Ausstellung möchte man aber auch eine Doppelung zu den Nationalen Sonderausstellungen vermeiden.

Dementsprechend kommt im katholischen Bayern auch die Gegenreformation zu Wort. „Am Ende des 16. Jahrhunderts ist klar, ob man katholisch oder evangelisch ist, davor ist das noch nicht so eindeutig gewesen. Und genau hier setzt die Ausstellung an“, erklärt Wolf. Dennoch wird ein besonderer Akzent auf die Lutherstube gelegt. Um die Räumlichkeiten in ihrer ursprünglichen Form auf die Besucher wirken zu lassen, werde man darauf verzichten, die beiden Zimmer mit Exponaten zuzustellen, verspricht Klaus Weschenfelder. 

Mehr als nur ein „Kirchenfest“

Musik, Bildung, Freiheit, Sprache – die Akteure haben klar gemacht, dass das Reformationsjubiläum mehr als nur ein „Kirchenfest“ sein kann. Denn die Reformation hatte weitreichende kulturpolitische und soziale Auswirkungen, auf denen heute noch unsere Gesellschaft fußt. Der Themenkomplex ist so vielfältig, dass die verschiedenen Ausstellungen und Konferenzen nur ausgewählte Aspekte beleuchten können. Zwar ist das Reformationsjubiläum als Marke mit Martin Luther verbunden, dennoch ist es kein „Lutherjubiläum“ – wie die staatlichen Akteure immer wieder betonen. Vielmehr bietet sich 2017 die Gelegenheit, die Wurzeln unserer Gesellschaft zu erkunden. Und das ist auch eine Aufgabe des Staates.  

Informationen

Autor:Michael Achhammer Datum:26-08-16
Schlagworte:
Reformationsjubiläum, Staat und Kirche, Staatliche Geschäftsstelle „Luther 2017“

Drei Perspektiven auf Luther

Unter dem gemeinsamen Titel „Die volle Wucht der Reformation“ laden die Sonderausstellungen dazu ein, in die Wirkungsgeschichte der Reformation einzutauchen.

Nationale Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017

Einen bedeutenden Höhepunkt stellen die drei Nationalen Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 dar, die in der Lutherstadt Wittenberg, auf der Wartburg in Eisenach und in Berlin gezeigt werden. Sie sind ein zentraler Beitrag der staatlichen Träger im Festjahr 2017, um in einzigartiger Weise an dieses herausragende Ereignis zu erinnern.