Die Reformation war ein epochales Ereignis. Sie veränderte die gesellschaftliche und staatliche Entwicklung hierzulande dauerhaft. Der Mann, mit dem diese Entwicklung eng verbunden ist, Martin Luther, war vor allem eines: unbequem. Seine Thesen gegen den Ablasshandel 1517 und sein Widerstehen auf dem Wormser Reichstag 1521 stellten die traditionellen Autoritäten in Frage. Ihnen setzte er die Gewissensfreiheit und Urteilskraft des Einzelnen entgegen. Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ wies den Weg zum Menschen der Frühmoderne, bei dem sich Selbstverwirklichung und gesellschaftliche Verantwortung ergänzen.
Die Bildung breiter Schichten bekam infolge der Reformation einen höheren Stellenwert – eine wichtige Voraussetzung für den mündigen Bürger unserer Tage. Durch seine Übersetzung der Bibel in eine volksnahe und allgemein verständliche deutsche Fassung ermöglichte Luther den Menschen den Zugang zum Wort und damit zu Information, Verständigung und Teilhabe. Mit Blick auf die Menschen, die heute Zuflucht suchen in Deutschland, können wir an diese Erfahrung anknüpfen: Die gemeinsame Sprache ist Basis für den Zusammenhalt jeder Gesellschaft. Kulturelle Integration kann ohne dieses gemeinsame Band nicht gelingen. Umgekehrt lädt uns das Reformationsjubiläum dazu ein, den Wurzeln unserer Kultur nachzuspüren und sich des eigenen Standpunkts in der Welt zu vergewissern. Eine Gesellschaft, die mit ihren Werten und kulturellen Eigenheiten ihre eigene Identität pflegt, kann auch dem Anderen, dem Fremden Raum geben, ohne sich dadurch bedroht zu fühlen.
Aus solchen gesamtgesellschaftlichen Überlegungen heraus beteiligt sich die Bundesregierung deshalb gemeinsam mit Ländern, Gemeinden und in Verbindung mit der EKD an der Vorbereitung des Reformationsjubiläums. Mein Haus koordiniert die Aktivitäten des Bundes und hat bisher über 200 Projekte gefördert. Zahlreiche Reformationsstätten wurden mit Bundesmitteln saniert. Die Planungen für 2017 – unter anderem mit drei nationalen Sonderausstellungen in Berlin, Wittenberg und auf der Wartburg – laufen auf Hochtouren. Besucherinnen und Besucher aus dem In- und Ausland werden ein vielfältiges Angebot vorfinden. Ihnen allen wünsche ich anregende Begegnungen mit dem geschichtlichen Erbe der Reformation.
Prof. Monika Grütters MdB ist Staatsministerin bei der Bundeskanzlerin und Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien