Skip to main content

„Ich fürchte nichts...“ Kölner N.N.-Theater bringt Martin Luther auf die Bühne

Oliver Schnelker als Martin Luther und Aischa-Lina Löbbert als Käthe proben für das Theaterstück "Ich fürchte nichts ...". (Bild: epd-bild/Dörthe Boxberg)

Wortgewaltig und widersprüchlich: An Martin Luther arbeiten sich seit Jahrhunderten nicht nur Protestanten ab. Die Zeit ist reif für ein Theaterstück. Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums besteigt Martin die Bühne.

Martin schläft schlecht. In seinen Alpträumen holen ihn seine Schriften ein, umtanzen mit Besuchern aus der Hölle sein Bett und erdrücken ihn. Auf der Bühne des „N.N. Theaters - Neue Volksbühne Köln“ wird anschaulich, wie Martin Luther darunter leidet, dass andere sein Erbe ausschlachten und für ihre Zwecke instrumentalisieren. „Ich fürchte nichts...“ heißt das Stück von Autor George Isherwood, das am 17. Februar in der Düsseldorfer Johanneskirche uraufgeführt wird. Bis November folgen deutschlandweit rund 70 Aufführungen in Kirchengemeinden und Kultureinrichtungen. Noch wenige Gastspielbuchungen sind möglich.

Luthers Ambivalenz und Interpretationen seiner Schriften im Fokus

Für Theater-Regisseur Gregor Höppner stehen Luthers Ambivalenz und die folgenreichen Interpretationen seiner Schriften im Zentrum des Stücks, das die Evangelische Kirche im Rheinland für das Jahr des 500. Reformationsjubiläums in Auftrag gegeben hat. Autor und Künstler erhielten für Inhalt und Gestaltung von der Landeskirche freie Hand. Der ungetrübte Blick von außen auf eine zentrale Figur europäischer Kirchengeschichte ist gewollt, wie Höppner betont. Und nur mit dieser Freiheit habe sich das Ensemble auf den Stoff einlassen können.

Das Ergebnis ist ein provokanter, mitunter humoristisch-musikalischer Blick auf den Augustinermönch und Gelehrten, der zu Beginn des 16. Jahrhunderts mit seiner Kritik an der eigenen katholischen Kirche dummerweise an höchster Stelle Gehör findet: Denn erst, als der Mainzer Erzbischof Luther-Schriften nach Rom schickte und diese dort nicht im Papierkorb landeten, wurde es für Luther richtig kompliziert, schildert Regisseur Höppner. „Sonst wär' nichts passiert.“

Bannbulle, Bibelübersetzung und Bauernkriege sind bekannte „Luther-Schlagwörter“, die auch auf der Bühne vorkommen. Szenen illustrieren, wie schwierig es sein kann, Luther auf eine eindeutige gesellschaftspolitische Position festzulegen. War er, als Gegner von Ablasshandel und Verfasser der Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, auch ein Vorkämpfer für Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit?

Luther, der die Bauernaufstände als Teufelswerk verdammte und die Landesfürsten zur gewaltsamen Niederschlagung aufrief, begegnet im Stück dem Wortführer aufständischer Bauern, Thomas Müntzer. Luthers Rechtfertigung, er selbst stehe auf der Seite des Glaubens, widerspricht der Bauernführer: „Nein, du stehst auf der Seite der Obrigkeit.“

Michl Thorbecke (stehend) als Teufel, Oliver Schnelker (vorne) als Martin Luther sowie Irene Schwarz (li.) und Aischa-Lina Löbbert als des Teufels Helferinnen beim Proben. (Bild: epd-bild/Dörthe Boxberg)

Auch Luthers Antisemitismus greift das Theaterstück auf: Ein Rabbi schafft es, sich vor der Vertreibung seiner Familie von Luther zu verabschieden und ihm, dem gelehrten Christen-Freund, zu danken. Bei der historisch belegten Zusammenarbeit Luthers mit dem jüdischen Gelehrten bei theologischen Schriften zeigten sich Widerspruch und Scheitern des Reformators, sagt Regisseur Höppner.

Mit seiner Bibelübersetzung habe Luther unter anderem erreichen wollen, dass die Juden zum evangelischen Glauben übertreten, sagt Höppner. Judenfeindlichkeit war Luthers Antwort auf die gescheiterte Judenbekehrung und auch Ausdruck der verbreiteten antisemitischen Stimmung jener Zeit.

Luther fürchtete nichts mehr als den Teufel

Nichts fürchtete Luther mehr als den Teufel. Und ausgerechnet der erklärt dem Bühnen-Luther in einer höllisch guten Rap-Einlage, dass die wahre Macht über die Welt nicht im Glauben, sondern bei den Banken liegt: dass das Bankhaus Fugger durch Kreditvergabe an Bischöfe und Adel Kasse macht, sich Dividenden aus Rom sichert – und Stimmen für die Wahlen von Papst und Kaiser kauft. Geld regierte schon vor 500 Jahren die Welt.

Kaum jemand dürfte so oft in der deutschen Geschichte abgebildet worden sein wie Luther. Allein die Cranach-Werkstatt schuf rund 500 Bilder von ihm. Ob als Mönch, Theologe, Ehemann, Prediger oder Professor – Luthers Gesicht war öffentlich. Und das Theaterstück macht deutlich: „Photoshop“ war schon in der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit angesagt. Mit dem Pinsel setzt Meister Cranach zur Korrektur an, wenn Martins Lächeln nicht evangelisch genug erscheint.

Und wie schafft es der furchtlose Reformator, seine frisch gebackene Ehefrau Katharina ins Bett zu locken? Theaterbesucher dürfen sich auf einen singenden Martin im Morgenmantel freuen, der nicht ganz zu Unrecht fürchtet, sich mit seiner Darbietung im Schlafgemach zur „Witzfigur von Wittenberg“ gemacht zu haben.

Informationen

Autor:Gabriele Fritz Quelle:epd Datum:15-02-17
Schlagworte:
Martin Luther, Reformationsjubiläum, Widersprüche, Theaterstück

weiterführende Informationen

N.N. Theater Neue Volksbühne Köln