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Kuratoren stellen vor: Klappsonnenuhr mit Romwegkarte

Katja Schneider, eine der Kuratoren von „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“, schreibt über die dort ausgestellte Klappsonnenuhr mit integrierter Romwegkarte.

1500, zum Heiligen Jahr, wurde erstmals eine gedruckte Straßenkarte aufgelegt: die legendäre Rom-Weg Karte des Nürnberger Kartografen und Kompassmachers Erhard Etzlaub. Gelegentlich wurde eine solche Karte auch im Miniaturmaßstab auf den Deckel einer Klappsonnenuhr eingraviert – wie bei dem Exponat, das derzeit im Augusteum zu sehen ist. Dieses tragbare Messinstrument ist auf das Jahr 1513 datiert und wird heute im Adler Planetarium in Chicago verwahrt.

Eine Reise nach Italien war auch im 16. Jahrhundert noch immer ein großes Wagnis. Allein die Überquerung der Alpen verlangte Durchhaltevermögen, aber auch Angriffe und Krankheiten, Verlockungen und Unwetter gefährdeten die Reisenden. Eine Herausforderung war die Orientierung. Die Romwegkarte erleichterte nicht nur Pilgern, sondern auch Kaufleuten das Reisen. Auf ihr waren die Wegstrecken und Entfernungen „von meylen zu meylen mit puncten“ eingetragen; in Verbindung mit einem Sonnenkompass konnten Reisende nun ihren Standpunkt bestimmen und Tagesrouten festlegen. 

Auch Luther dürfte ein solches Instrument benutzt haben

Als Martin Luther Anfang Oktober 1511 zu Fuß von Wittenberg aus nach Rom aufbrach, wird auch er sich mittels einer solchen Karte und Sonnenuhr orientiert haben. Sein Mentor Johann von Staupitz hatte ihn auserkoren, einen älteren Mitbruder zu begleiten, um in einem ordensinternen Streit – zwischen den strengen, regeltreuen Augustinerkonventen wie Erfurt und den liberaleren Klöstern  – aus Rom neue Weisungen zu holen. Über sechs Wochen brauchten die beiden Mönche, bis sie auf den üblichen Pilgerrouten und Handelsstraßen nach Rom gelangten. Unterwegs stiegen sie in Klöstern ab, wo sie freie Kost erhielten. Auf seiner Reise lernte Luther den Südwesten Deutschlands und die Schweiz kennen, überquerte die Alpen, passierte die Lombardei, sah Städte wie Mailand, Bologna, Florenz oder Siena – und natürlich Rom. 

In Rom nutzte der spätere Reformator jede Gelegenheit zur Heilserfahrung. Fastend und sühnend absolvierte er die eintägige Wallfahrt zu den sieben römischen Hauptkirchen, für die es den vollkommenen Ablass der Sündenstrafen gab, las Messen und rief Heilige an. Doch für den deutschen Bettelmönch Luther war Rom eine fremde und irritierende Welt. In seinen Tischreden fasste er seine Beobachtungen und Erlebnisse später oft in drastische Worte und stilisierte die Romreise rückblickend zu einem Schlüsselerlebnis auf seinem Erkenntnisweg in die Reformation. Besonders hatten ihn das fromme Gedränge, die Hast, Geschäftstüchtigkeit und mangelnde Bildung der Priester befremdet, zugleich erregten der Prunk und die Selbstherrlichkeit des Papstes seinen Unmut. 1511 allerdings war Luther noch kein kritischer Reformator, sondern ein ernsthaft suchender, bußfertiger Augustinermönch, der nichts ausließ, um fromm zu werden – auch wenn ihm offenbar damals schon die ersten Zweifel kamen. 


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst. 

Informationen

Autor:Katja Schneider Datum:16-10-17
Schlagworte:
Nationale Sonderausstellung, Wittenberg, Kuratoren stellen vor, Ausstellung, Sonnenuhr, Romwegkarte, Pilgern

Info

„Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ 

Augusteum/Lutherhaus
Collegienstraße 54
06886 Lutherstadt Wittenberg

Öffnungszeiten:
13. Mai bis 5. November
Täglich 9 Uhr bis 18 Uhr 

Eintritt:
Einzelticket: 12 € / 8 € ermäßigt
Schüler: 5 €
Gruppen ab 10 Personen: 10 € p. P.
Kombiticket für alle Nationalen Sonderausstellungen: 24 €

Weitere Informationen:
3xhammer.de

Kuratoren stellen vor

In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst. 

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