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Erläuterungen

Der Traktat „Von der Freiheit eines Christenmenschen“ entstand im Spätsommer 1520. Seine Abfassung sollte ein geistliches Gegengewicht setzen zur bereits ausgegangenen Bannandrohungsbulle, die angebliche Irrlehren Luthers verzeichnete. Der Traktat von der Freiheit brachte demgegenüber das neue Gesamtverständnis des reformatorischen Christentums im Sinne Luthers zu Wort. Die Situation, in der die letzte Aussicht auf Verständigung bereits erloschen war, hatte Luther offensichtlich in besonderer Weise zur Konzentration veranlasst.

In der Tat stellt das Freiheitsthema in seiner geistlichen Auslegung die Mitte der neu akzentuierten Frömmigkeit dar, sofern es das Verhältnis zwischen Gott und Mensch als durch Christus konstituiertes Anerkennungsverhältnis im Glauben beschreibt, dem das menschliche Handeln eingestiftet ist, das aber durch Handeln nicht mehr ergänzt werden kann noch braucht.

Diese Zentralanschauung wird durch die – heuristisch aufgenommene und selbständig weiterentwickelte – Konzeption des inneren und äußeren Menschen entfaltet, indem die paradoxe Ausgangsthese von Christenmenschen als freiem Herrn und dienstbarem Knecht in ein Verhältnis des begründeten Zusammenhangs gebracht wird. Die Freiheit gründet im Glauben und wirkt sich in der Liebe aus. Allerdings besitzt das Stichwort der Freiheit auch deutliche politische Konnotationen – und es kommt zum rechten Verständnis alles darauf an, die geistliche Begründung mit- und nachzuvollziehen. Das erfolgte nicht immer, wie sich in der Vorgeschichte des Bauernkrieges zeigte.


Dietrich Korsch, Professor für Systematische Theologie in Marburg