Vom elsässischen Schlettstadt über Heidelberg nach Straßburg: Martin Bucer (1491-1551) suchte den Dialog zwischen den Reformatoren. Dabei wechselte er zum Leid der Beteiligten auch oft die Position. Martin Luther meinte einst, man könne ihm nicht trauen.
Geboren wird Bucer am 11. November 1491 im rund 4.000 Einwohner großen elsässischen Schlettstadt. Wahrscheinlich besucht er die örtliche Lateinschule und geht ins Dominikanerkloster. Er legt das Mönchsgelübde ab, studiert Philosophie, wird Priester und ist in Heidelberg Theologiestudent. Dort lernt er 1518 Martin Luther (1483-1546) kennen – ein einschneidendes Erlebnis. Er verlässt das Kloster, wird 1521 von seinen Ordensgelübden entbunden, lebt an unterschiedlichen Orten, heiratet eine frühere Nonne und wird vom Speyrer Bischof exkommuniziert.
Von Straßburg aus die Reformation verbreitet
1523 zieht er nach Straßburg, wo er rund 25 Jahre als Pfarrer der Stadt angestellt ist. Von dort aus setzt er sich für die Reformation und die Einheit der Protestanten ein, vor allem im Abendmahlstreit – seiner Ansicht nach ein vollkommen sinnloser Streit. Denn für ihn sind die großen Gemeinsamkeiten wichtiger als die vermeintlich kleineren Unstimmigkeiten.
Auf der einen Seite die Wittenberger um Luther, auf der anderen die Schweizer um Huldrych Zwingli (1484-1531) sowie Heinrich Bullinger (1504-1575) – und Bucer dazwischen. Luthers Anhänger werben für eine körperliche Präsenz Christi im Abendmahl, die Schweizer für eine spirituelle. Bucer ist überzeugt, dass Leib und Blut Christi im Abendmahl nicht körperlich in Brot und Wein gegenwärtig sind.
Dass der Streit keine Lappalie ist, erfährt er immer wieder. Einmal fügt der Straßburger an einem Abendmahlverständnis von Luther Anmerkungen hinzu, was die Wittenberger verärgert. Ein anderes Mal ist er den Schweizern zu nah an Luthers Position. Martin Luther meint sogar, man könne Bucer nicht trauen.
So auch im Mai 1536 bei einer Besprechung in Luthers Haus in Wittenberg. „Die Atmosphäre war eisig“, berichtet Kirchenhistoriker Greschat. „Luther griff die Gäste sofort an, ausdrücklich auch Bucer.“ Mittlerweile ging es auch um die Frage, ob Gottlose ebenso wie Gläubige im Abendmahl Christus empfangen. Ein früherer Kompromissvorschlag Bucers, zwischen Unwürdigen und Gottlosen zu unterscheiden, soll die Lösung bringen. „Sichergestellt werden sollte, dass die Realpräsenz Christi im Abendmahl nicht vom Glauben oder der Würdigkeit des Menschen abhinge“, betont Greschat. Eine Einigung ohne die Schweizer.
Erfinder der Konfirmation
Bucer schwankt aber auch. Mal ist er komplett gegen den Papst, mal kann er sich vorstellen, dass er unter Umständen weiter existieren könne. Zur Verbreitung seiner Thesen schreibt er Dialoge zwischen Personen mit unterschiedlichen Positionen. Meist haben die Vertreter seiner Ideen die besten Argumente und gewinnen.
Bucer gilt auch als Erfinder der Konfirmation, die er 1539 im hessischen Städtchen Ziegenhain einführt. Entstanden ist das beliebte protestantische Familienfest aus einem Kompromiss im Streit über die Säuglingstaufe. Diese blieb, aber Heranwachsende sollen nach entsprechendem Unterricht selbst bestätigen, dass sie Mitglied der Gemeinde sein wollen.
Nachdem die Religionsgespräche zu keinem Ergebnis führten und Kaiser Karl V. die Protestanten im Schmalkaldischen Krieg besiegte, verliert Bucer auch seinen Rückhalt in Straßburg. Er emigriert nach England und lehrt in Cambridge. Dort wirbt er für eine kirchliche und gesellschaftliche Reform. Doch Land, Essen und Lebensweise sind ihm fremd. „Ich befinde mich im Exil, in meinem Alter, weit weg von meinem Vaterland, verjagt von meiner so sehr geliebten Kirche, meiner Schule und Stadt“, soll er 1549 an Johannes Calvin (1509-1564) geschrieben haben. Bucer stirbt in der Nacht zum 1. März 1551, wahrscheinlich an einer schweren Tuberkulose, im Alter von 59 Jahren.