In rund 500 Jahren hat sich das Bild von Martin Luther immer wieder stark verändert. Vieles wurde auf den Reformator projiziert. So war er den Deutschen erst Kirchenvater, dann Vordenker der Freiheit und schließlich ein Held der Nation.
Die grellen Aufkleber waren nicht zu übersehen: In giftgrüner Schrift auf gelbem Grund warben sie für „Kirchentage in der DDR im Lutherjahr 1983“. Zentrales grafisches Element war ein Kreuz, das auch auf Plakaten, Plattencovern und Plaketten allgegenwärtig war. Für die kirchenfeindliche DDR war dies eine gewisse Sensation: Zu den Aktivitäten der evangelischen Kirche zum 500. Geburtstag Martin Luther (1483–1546) gab der Staat so etwas wie einen offiziellen Segen.
Das brachte nicht nur den Großveranstaltungen eine bis dahin undenkbare Aufmerksamkeit. Auch die Sicht des SED-Staates auf Luther war eine ganz und gar andere geworden: Er galt nicht länger als „Fürstenknecht“, sondern fand sich wieder in den „fortschrittlichen Traditionen“, auf die sich die sozialistische DDR gern berief. Dies war wohl einer der krassesten Schwenks bei der Einschätzung des Reformators. Dabei sind Wandlungen im Lutherbild keine Besonderheit der DDR.
Perspektive auf Luther wandelte sich permanent
Die Perspektive auf Luther hat sich permanent gewandelt. „Veränderungen hat es seit dem 16. Jahrhundert immer wieder gegeben“, sagt der Historiker Marc Höchner. Anfangs hätten vor allem konfessionelle Aspekte dominiert. Martin Luther sei als Gründerfigur und geistiger Vater des Protestantismus gesehen worden, erläutert der promovierte Wissenschaftler. Höchner ist Kurator der Ausstellung „Luther und die Deutschen“, die als eine der drei Nationalen Sonderausstellungen zum 500. Reformationsjubiläum am 3. Mai auf der Wartburg eröffnet wird.
Mit der Aufklärung im 18. Jahrhundert habe sich der Blick auf den Reformator dann vom Konfessionellen gelöst, sagt Höchner: „Vielen gilt Luther seither als Begründer der Freiheit, vor allem der Freiheit des Gewissens.“ Diese Auffassung sei in der Luther-Rezeption „der wichtigste Schritt“ gewesen, denn damit sei – unabhängig vom religiösen Gehalt seiner Schriften – erstmals die überkonfessionelle Bedeutung Luthers herausgestellt worden.