Luthers Aufenthalt auf der trutzig oberhalb von Eisenach gelegenen Wartburg war nicht lang und nicht ganz freiwillig. Vom 4. Mai 1521 bis zum 1. März 1522 lebte der Theologe dort in einer bescheidenen Zelle, die heute als Lutherstube zu besichtigen ist. In die Geschichte eingegangen ist dieser Aufenthalt nicht nur, weil er Luther das Leben rettete, sondern auch weil Luther die Zeit auf der Wartburg für Großes nutzte. Hier übersetzte er das Neue Testament aus dem griechischen Text ins Deutsche. Mit dieser Übersetzung wurde die Heilige Schrift – bisher eine Lektüre für Gelehrte, die der Alten Sprachen mächtig waren – erstmals für jeden lesbar, der lesen konnte.
Jeder hätte Luther töten können
Wie aber kam der Reformator auf die Wartburg? Nach seinem mutigen Auftritt vor dem Wormser Reichstag 1521, wo er seine Schriften verteidigt hatte, schwebte Luther in Lebensgefahr. Er war geächtet und für vogelfrei erklärt worden jeder hätte ihn töten können, ohne dafür belangt zu werden.
Der Kurfürst von Sachsen, Friedrich der Weise, veranlasste deshalb, dass man Luther nach einem vorgetäuschten Überfall in Schutzhaft nahm: auf der Wartburg. In den Abendstunden des 4. Mai 1521 wurde er in sein Versteck gebracht, wo er sich zum Junker Jörg verwandelte. Er ließ sich Bart und üppige Haartracht eines Ritters wachsen, trug vornehme Gewänder und ein Schwert an der Seite, damit ihn schon bald niemand mehr identifizieren konnte.
Stille und Zeit, die Luther auf der Wartburg reichlich hatte, verhalfen ihm zu einer seiner produktivsten Schaffensperioden. Vor allem aus Langeweile griff er zur Feder und übersetzte das Neue Testament in nur zehn Wochen. Anders als seine Vorgänger orientierte sich Luther dabei am griechischen Text, der sogenannten Septuaginta.
Mit Tintenfass gegen den Teufel
Aus Luthers zahlreichen Briefen geht hervor, als wie einsam er sein Exil empfand. Auch berichtete er über seltsames Poltern in den alten Gemäuern, worin er den Teufel zu hören glaubte. Mit keinem Wort aber erwähnte er, was ihm später nachgesagt wurde: dass er mit einem Tintenfass nach dem Teufel geworfen hätte.
Diese bildhafte Legende vom Streit des Reformators mit seinem gottlosen Widersacher gehört erst seit dem 17. Jahrhundert zum festen Repertoire der Wartburggeschichten. Eine Wand des kargen Raums, den Luther auf der Burg bewohnte, hatte man mit dem passenden Tintenfleck dazu versehen und diesen bis zum Ende des 19. Jahrhunderts immer wieder aufgefrischt.
Aufgrund ihrer Bedeutung für die Reformation und ihrer bewegten Geschichte ist die Wartburg heute eine der bekanntesten Burgen Deutschlands und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.