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Orte des Glaubens und der Repräsentation – Thüringer Schlosskirchen erinnern an Selbstverständnis der Fürstenhäuser

Als Orte der höfischen Repräsentation haben sie längst ausgedient. Doch zu besonderen Anlässen wie Weihnachten sind Thüringer Schlosskirchen für Gottesdienste besonders gefragt – wie auf Schloss Friedenstein in Gotha.

Schlosskirche Gotha
Schlosskirche Schloss Fridenstein in Gotha (Bild: Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Constantin Beyer)

Die Besucherzahlen sind im Sakristeibuch genau registriert. Anschaulich dokumentiert die nüchterne Statistik ein großes Interesse an der Gothaer Schlosskirche, die seit 95 Jahren als Gemeindekirche jedermann offensteht. Regelmäßig finden dort neben Gottesdiensten auch Trauungen, Taufen und Konfirmationen statt. Besonders groß indes ist der Zulauf zu Weihnachten: Alle Jahre wieder zu Krippenspiel und Christvesper ist die Kirche mit knapp 400 Besuchern bis auf den letzten Platz besetzt.

Thüringer Landesausstellung zu den Ernestinern

Doch auch in diesem Jahr muss die Gemeinde am Heiligabend ein weiteres Mal ohne den festlichen Klang der Orgel auskommen. Weil das Instrument der Thüringer Orgelbauerfirma Knauf von 1850 gegenwärtig saniert wird, übernimmt den musikalischen Part zurzeit der Posaunenchor. Im kommenden Frühjahr soll die restaurierte Orgel wieder erklingen – und damit rechtzeitig zur Thüringer Landesausstellung über die ernestinische Dynastie des Fürstenhauses Wettin.

Für die Ernestiner war das Bekenntnis zum lutherischen Glauben ein wesentliches Merkmal ihres Selbstverständnisses. Durch ihre vielen Erbteilungen auf dem Gebiet des heutigen Thüringen mit bis zu elf Residenzen haben sie auch eine vergleichsweise große Zahl von Schlosskirchen hervorgebracht. Für den Kunsthistoriker Niels Fleck sind einige davon nicht nur architektonisch und kunstgeschichtlich bedeutsam.

„Sie sind zugleich prägnante Beispiele der mitteldeutschen Residenzkultur und des protestantischen Kirchenbaus“, sagt der Wissenschaftler, der über die ernestinischen Schlosskirchen in Thüringen promovierte. Die Grundsteinlegung für die Kirche in Gotha war 1643 zugleich Auftakt für den Neubau der Ernestiner-Residenz Schloss Friedenstein. Der Name war Programm: Mitten im Dreißigjährigen Krieg wollte der Gothaer Herzog Ernst der Fromme (1601-1675) ein Zeichen setzen für eine friedvolle Zukunft.

Bis heute erinnert daran in der Schlosskirche ein allegorisches Deckengemälde mit dem Friedenskuss, der seit 1650 als Relief auch das Hauptportal des Schlosses ziert. Die heutige Ausstattung des Innenraums über zwei Geschosse entstand jedoch erst mit der Neugestaltung der Kirche ab 1687. Dabei gelangte der ursprüngliche Altar in die Nebenresidenz Gräfentonna, während die Schlosskirche einen neuen Kanzelorgelaltar erhielt.

Schloss Friedenstein
Schloss Friedenstein in Gotha
(Bild: www.ernestiner2016.de)

Protestantischer Kirchenbau und Bildungsoffensive 

Damit ist in der Kirche das Grundmuster des protestantischen Kirchenbaus deutlich erkennbar: Als Hauptelemente des evangelischen Gottesdienstes sind Altar, Kanzel und Orgel übereinander angeordnet. Der Blick der Gemeinde ist direkt auf den Ort der christlichen Verkündigung in Wort und Musik gerichtet. „Die Ernestiner verstanden sich als Schützer und Bewahrer des lutherischen Glaubens“, sagt Fleck.

Deshalb waren die ernestinischen Schlosskirchen aus dem 17. und 18. Jahrhundert in den Thüringer Residenzen immer mehr als nur Orte der fürstlichen Repräsentation. Für heutige Besucher sind sie anschauliche Zeugnisse dafür, wie vergleichsweise kleine Fürstentümer ihre geringe politische Bedeutung durch kulturelle Leistungen zu überspielen versuchten.

In Gotha war dieses Bemühen untrennbar verbunden mit Ernst dem Frommen und seiner Bildungsoffensive für alle Schichten der Landeskinder. In der Schlosskirche verweist darauf in besonderer Weise eine schlichte Büste des Herzogs: Der Blick zum Altar ist direkt auf die geistige Grundlage seines Wirkens gerichtet.

Informationen

Autor:Thomas Bickelhaupt Quelle:epd Datum:22-12-15
Schlagworte:
Thüringen, Landesausstellung, Die Ernestiner, Gotha, Weimar, Reformation, Martin Luther

Schutzmacht Luthers und Förderer der Künste

Thüringen bereitet für 2016 eine Landesausstellung über das Fürstenhaus der Ernestiner vor. Die Kurfürsten und Herzöge aus der Dynastie der Wettiner haben über 400 Jahre lang die Geschichte Thüringens und Deutschlands maßgeblich mitgestaltet.