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Kuratoren stellen vor: Taschenuhr aus Melanchthons Besitz

Mirko Gutjahr, einer der Kuratoren von „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ schreibt über die dort ausgestellte Taschenuhr aus dem Besitz Philipp Melanchthons.

Taschenuhr aus dem Besitz von Philipp Melanchthon, 1530. (Bild: The Walters Art Museum, Baltimore. Inv. 58.17.)

Für das 16. Jahrhundert muss diese Taschenuhr etwas gewesen sein, wie für uns heute der Besitz des neuesten Luxus-Smartphones: sündhaft teuer und eine echte Investition. Bis dahin waren Uhren groß und klobig. Schwere Pendelgewichte hielten die großen Zahnräder in Bewegung. Einer der ersten, der solche Wunderwerke im Miniaturformat herstellen konnte, war der Nürnberger Uhrmacher Peter Henlein. Für das Jahr 1526 existiert eine Quittung über die Zahlung von 15 Gulden an Henlein für die Herstellung eines „Pysm Apfels“ – einer Taschenuhr, die wie die Melanchthons in der Form eines Bisamapfels (Riechkugel) hergestellt war. 

Es liegt nahe, dass Philipp Melanchthon als einer der führenden Köpfe der Reformation die Uhr vom Rat der Stadt geschenkt bekommen hat, war er doch eng mit Nürnberg verbunden. Er stand mit den reformatorischen Kräften der Stadt in ständigem Briefkontakt, 1525 und 1526 weilte er in Nürnberg, um dort die Gründung des ersten Gymnasiums voranzutreiben. 1530 soll er hier bei der An- und Abreise zum Augsburger Reichstag gastiert haben. Auf diesen Anlass könnte auch die Inschrift auf dem Boden der Taschenuhr hinweisen: „Phil[ipp) Mela(nchthon) / Gott. alein./ die. Ehr. 1530“.  „Soli Deo Gloria“ – „Allein Gott die Ehre“ ist einer der wichtigsten Slogans der Reformation.

Die Taschenuhr in geschlossenem Zustand. (Bild: The Walters Art Museum, Baltimore. Inv. 58.17.)

Es ist überaus passend, dass ausgerechnet Melanchthon ein solches Stück besaß, das seit kurzem als älteste datierte Taschenuhr der Welt gilt. Als Universalgenie interessierte er sich auch für die Sternenkunde. Zur Erstellung von Horoskopen war die genaue Kenntnis des Datums und der Uhrzeit unerlässlich, wofür Melanchthon weitere Messinstrumente aus Nürnberg bezog.

Martin Luther könnte eine ähnliche Taschenuhr besessen haben. So bedankte er sich bereits 1527 bei einem Briefpartner aus Nürnberg für die Zusendung einer Uhr. Sie würde ihn motivieren, Mathematik zu studieren, um ihre Funktionsweise besser zu verstehen, wie er leicht süffisant anmerkte.

In der Ausstellung steht die Taschenuhr Melanchthons nicht nur stellvertretend für den Reformator, sondern auch als Symbol für den Anbruch einer neuen Zeit. Zeitgleich mit Luthers 95 Thesen hatte eine Epoche gewaltiger gesellschaftlicher, wissenschaftlicher und technologischer Umwälzungen begonnen, deren Folgen wir noch heute wahrnehmen können.

Informationen

Autor:Mirko Gutjahr Datum:06-09-17
Schlagworte:
Nationale Sonderausstellung, Wittenberg, Kuratoren stellen vor, Ausstellung, Taschenuhr, Melanchthon

Info

„Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ 

Augusteum/Lutherhaus
Collegienstraße 54
06886 Lutherstadt Wittenberg

Öffnungszeiten:
13. Mai bis 5. November
Täglich 9 Uhr bis 18 Uhr 

Eintritt:
Einzelticket: 12 € / 8 € ermäßigt
Schüler: 5 €
Gruppen ab 10 Personen: 10 € p. P.
Kombiticket für alle Nationalen Sonderausstellungen: 24 €

Weitere Informationen:
3xhammer.de

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