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Konfirmanden aus ganz Deutschland im Sommer in Wittenberg

Der Eingang zum Zeltlager am Rande Wittenbergs. (Bild: epd-bild/Jens Schlüter)

Die evangelische Kirche wird 500 Jahre und die Gemeinden feiern mit – auch am Ausgangsort der Reformation. Während die Besuchermassen auf der Wittenberger Weltausstellung noch auf sich warten lassen, erleben Tausende Jugendliche ein Konfi-Zeltlager.

Die Thesentür im Rückspiegel geht es immer geradeaus. Vorbei an Gewerbeparks und Datschen fühlt es sich schon bald nicht mehr wie Wittenberg an. Spätestens auf dem umzäunten Gelände mit der staubigen Zufahrt sind die Türme der Schloss- und Stadtkirche endgültig von Bäumen verdeckt, der Altersdurchschnitt sinkt um ein bis zwei Generationen. Willkommen im KonfiCamp – dem Lern- und Freizeitabenteuer für evangelische Jugendliche in Vorbereitung auf ihre Konfirmation.

Hier am Nordrand der Lutherstadt ist eine Zeltstadt entstanden. So weitläufig, dass man sie selbst vom höchsten Punkt aus nicht auf ein Bild bekäme. Und so groß, dass die einzelnen Viertel Ortsnamen der Reformationsgeschichte tragen: Bergen, Debrecen, Venedig und noch dreizehn weitere. 160 Zelte sind es insgesamt, darunter 132 zum Schlafen und für Gruppenarbeiten, vier Essenszentren, vier Kirchen mit Platz für bis zu 350 Menschen und ein Riesenzelt für Großveranstaltungen.

12 000 Jugendliche aus der ganzen Republik 

Bis zu 12 000 Jugendliche aus der ganzen Republik ziehen hier über den Sommer gestaffelt mittwochs ein und sonntags aus. Unter dem Titel „Trust and Try“ lernen sie mit Teamern und Pfarrern aus ihren Gemeinden, was es heißt, aufeinander zu vertrauen und Neues auszuprobieren – vom Hochseilklettern bis zum Konfirmandenunterricht. Mit den Volunteers des Veranstaltervereins Reformationsjubiläum 2017 toben sie sich zwischendurch aus.

Ein Gruppe Konfirmanden auf dem Gelände des Wittenberger KonfiCamps. (Bild: epd-bild/Jens Schlüter)

Genau diese Mischung mache das KonfiCamp aus, sagt Matthias Hempel, Beauftragter für die Konfirmandenzeit in der Oldenburger Kirche und schon zum zweiten Mal dabei. Konzentration und Spaß, was zum Kniffeln und was für die Kreativität. Zum Konfi-Unterricht von heute gehören Hempels Überzeugung nach immer mehr Lieder und Beispiele aus dem Alltag der Jugendlichen. Nötig sind auch Teamleiter, die noch näher an der Lebensrealität der Konfirmanden dran sind, vielleicht sogar eine Vorbildfunktion erfüllen. „Wenn die Jugendlichen verstehen, was es mit ihrem Leben zu tun hat, sind sie auch offen für Glaubensthemen“, so Pfarrer Hempel. Seine Kollegen und er seien für die theologischen Inhalte da, bei deren Vermittlung träten sie aber gerne hinter den jungen Teamleiter zurück.

KonfiCamps bieten Ressourcen, die Gemeinden zuhause nicht haben 

Die Morgenandacht im Großzelt zeigt, was Hempel meint: Vor der Bühne sitzen um die 1000 Konfirmanden, auf der Bühne stehen die nur etwa fünf Jahre älteren Moderatoren. Später kann man ihnen auf Snapchat und Instagram folgen, aber zuerst wird zusammen aufgewacht. Die Musiker stimmen „Fix you“ an, einen Song der vier Briten von Coldplay, die seit Geburt der meisten Konfirmanden bereits in den Charts, aber trotzdem noch cool sind. Die Ballade handelt vom Scheitern und von Einsamkeit, vom Verlieben, Verlieren und Vergeben. „Das Camp hier zeigt Wege, religiöse Themen mal nicht von der Bibelstelle her anzupacken“, sagt Hempel. „Mit Ressourcen, die den meisten kleinen Gemeinden zuhause nicht zur Verfügung stehen.“

Als nächstes läuft auf den Leinwänden rechts und links der Bühne ein Film über Pauline: Paulines Mutter macht Stress wegen der Schulnoten, Pauline wird unter dem Leistungsdruck ganz still. Cut! In spontan gebildeten Gruppen sollen die Konfirmanden überlegen, wie der Film weitergeht. Ein Mädchen rutscht gelangweilt auf der Bierbank herum, sagt: „Is' mir doch egal!“. Erst als sie feststellt, dass sich die anderen ernsthaft am Gespräch beteiligen, scheint auch sie langsam Mut zu finden: „Ein bisschen kenne ich das auch von mir daheim.“

Jugendliche des Konfirmanden-Zeltlagers in Wittenberg nehmen an einem Workshop teil. (Bild: epd-bild/Jens Schlüter)

„Trust and Try“ ist nicht nur das Motto der Workshops und Unterhaltungsprogramme für die Konfirmanden. Junge Leiter erkennen hier, ob sie ihre Gruppe im Griff haben, ältere erspüren körperliche Grenzen beim Schlafen auf dem Zeltboden. Pfarrer und Diakone aus 18 evangelischen Landeskirchen Deutschlands können testen, wie leicht es ihnen fällt, Ideen voneinander zu übernehmen. Ausprobieren und schauen, wie es wird, mussten aber auch die Veranstalter bevor die ersten Gruppen eintrafen.

Stimmung zwischen Konfiunterricht und Festival 

„Letzten Sommer hatten wir ein Treffen mit 180 Teamleitern“, erzählt Campleiter Tobias Bernhard. „Kein Vergleich zu den 1500 Menschen in der am besten besuchten Woche im Reformationssommer.“ Nach vier von elf Durchläufen zeigt sich der bayerische Diakon zufrieden: „Die Stimmung ist so was zwischen Konfirmandenunterricht, Kirche und einem riesigen geilen Jugendfestival!“ Für einige Bewohner der angrenzenden Siedlung scheint es nicht ganz so geil, dreieinhalb Monate lang Tausende Jugendliche nebenan zu haben. Bernhard berichtet von Beschwerden und Besuchen der Polizei wegen Ruhestörung, „aber wir sind auf einem guten Weg und messen regelmäßig die Lautstärke unserer Veranstaltungen“, so Bernhard.

Dort, wo außerhalb des Reformationssommers Reitturniere stattfinden, liegt ein Platz für Sportturniere und Hüpfburgen. An Literatursäulen können Bücher ausgeliehen und in einer mobilen Stube Brote gebacken werden. Begehbare Schränke laden dazu ein, Fragen wie „Brot kann schimmeln, was kannst Du?“ mit Filzstift an den Innenwänden zu beantworten. Beim Ausflug in die Altstadt landet dann jeder mal zumindest für ein Selfie vor der Tür, an die der Reformator Martin Luther vor 500 Jahren seine 95 Thesen gepinnt haben soll. Spätestens da wird klar, was mutig sein und ausprobieren bewirken kann.

Informationen

Autor:Christina Özlem Geißler Quelle:epd Datum:05-07-17
Schlagworte:
KonfiCamps, Wittenberg, Reformationsjubiläum, Jugendliche, Trust and Try

Lutherstadt Wittenberg

Auch wenn der Thesenanschlag historisch nicht sicher belegt ist, knüpft sich an dieses Bild der Ruf Wittenbergs.