Skip to main content

Brot und Oblaten: Gründung der unierten evangelischen Kirche war langer Prozess

Kirchenpräsident Schad und Domprediger Müller beim Austeilen des Abendmahls beim Festgottesdienst in Berlin. (Bild: Evangelische Kirche der Pfalz (Evangelische Landeskirche))

Der 27. September gilt als Gründungsdatum der Union Evangelischer Kirchen. Die Vereinigungen von reformierten und lutherischen Protestanten begannen aber schon früher – und stießen nicht überall auf Zustimmung.

Herzog Wilhelm I. von Nassau zögert. Einerseits würde er gerne die reformierten und lutherischen Gemeinden seines Herzogtums zu einer Kirche vereinigen. Andererseits weiß er, dass König Friedrich Wilhelm III. ähnliche Pläne in Preußen hat – und der preußische Monarch ist kein Mann, mit dem man sich es als kleiner Herzog verscherzen sollte, indem man dessen Ideen vorgreift. Da aber die Preußen nicht vorwärts kommen, beruft Herzog Wilhelm für den 5. August 1817 eine Synode in Idstein ein. Die beschließt sechs Tage darauf Historisches: die erste Union der seit der Reformation gespaltenen Reformierten und Lutheraner in einem deutschen Fürstentum.

Festgottesdienst im Berliner Dom zum 200. Jahrestag

Preußen ruft am 27. September alle Synoden, Konsistorien, Superintendenturen und Gemeinden dazu auf, am 31. Oktober 1817 – zum 300. Jubiläum der Reformation – gemeinsam das Abendmahl zu feiern. Die Union Evangelischer Kirchen (UEK), ein Zusammenschluss von zwölf Landeskirchen in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), sieht den 27. September daher als ihren Gründungstag an. In diesem Jahr feiert die UEK das 200. Jubiläum mit vielen Veranstaltungen. Ein Höhepunkt der Feierlichkeiten war ein Festgottesdienst am 24. September im Berliner Dom.

In seiner Predigt betonte der Vorsitzende der UEK-Vollkonferenz und Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche der Pfalz, Christian Schad, die Bedeutung der Ökumene: „Es ist uns geschenkt, das 500-jährige Reformationsjubiläum gemeinsam, evangelisch-katholisch und mit Geschwistern anderer Konfessionen als ein ökumenisches Christusfest zu begehen“, sagte Schad. Vor 200 Jahren sei die Gemeinschaft am Tisch des Herrn zentraler Ausdruck der neu gefundenen inner-evangelischen Einheit gewesen. „Und sie ist heute für evangelische und katholische Christen die vitale Sehnsucht, die aus einer tief empfundenen christlichen Einheit erwächst“, so der Kirchenpräsident.

Viele deutsche Fürsten folgen dem preußischen Beispiel 

Nach dem preußischen Beschluss 1817 ziehen viele deutsche Fürsten nach, weitere Unionen folgen rasch. „Sie alle waren von dem Geist getragen, dass die aus der Reformationszeit stammenden Lehrunterschiede innerhalb des Protestantismus überwunden werden können“, teilt die UEK mit: „Ziel war es, eine evangelische Kirche zu bilden und die Einheit des Protestantismus zu stärken.“

Kirchenpräsident Schad im Gespräch mit der Präses der Evangelischen Kirche in
Deutschland, Irmgard Schwaetzer (Mitte), und dem Präses der Evangelisch-reformierten Kirche, Norbert Nordholt (links). (Bild: Evangelische Kirche der Pfalz (Evangelische Landeskirche))

Das stimmt jedoch nur zum Teil. Den Monarchen ist vor allem daran gelegen, ihre Territorien zu vereinheitlichen. Denn erst zwei Jahre zuvor hatten sie auf dem Wiener Kongress die Grenzen Deutschlands neu gezogen, nachdem Napoleon die europäische Landkarte umgepflügt hatte. Die neuen Territorien sind oft Flickenteppiche aus reformierten, lutherischen und katholischen Gebieten.

Mitunter haben die Regenten auch persönliche Motive. Der Nassauer Wilhelm I. zum Beispiel, ein Reformierter, würde gern das Abendmahl mit seiner lutherischen Frau Luise feiern. Denn auch wenn in den 300 Jahren seit der Reformation die Gräben zwischen Lutheranern und Reformierten flach geworden sind, gibt es beim Abendmahl noch große Unterschiede. Für Lutheraner sind Brot und Wein tatsächlich Leib und Blut Christi, für die Reformierten nur Symbole. Die Lutheraner essen Oblaten, die Reformierten Brot, das der Pfarrer nach Jesu Vorbild bricht. Die Nassauer umschiffen die Uneinigkeit, indem sie ein „Unionsbrot“ erfinden: Sie kleben ausgestochene Brotscheiben auf Oblaten.

Erste unierte Gemeinde entstand schon 1802 in Mainz

Vereinigungen von Reformierten und Lutheranern hatte es schon vor 1817 gegeben. Die erste unierte Gemeinde war jene von Mainz, die 1802 entstand. Bis 1817 waren die Vereinigungen aber nur Verwaltungsunionen, wie zum Beispiel 1806 in Bayern. Bis zur Überwindung der während der Reformationszeit aufgetretenen Unterschiede dauerte es bis 1973: Am 16. März unterzeichnen Vertreter von verschiedenen protestantischen Strömungen in einer Tagungsstätte auf dem Leuenberg bei Basel die „Leuenberger Konkordie“. Darin erkennen alle evangelischen Kirchen die Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft sowie die Ordination ihrer Geistlichen gegenseitig an.

So weit waren die Protestanten 1817 oft noch nicht. Eine Diskussion über die Inhalte der Nassauer Union etwa gab es in Idstein nicht. „Es war eine Union von oben“, charakterisiert Jörg Bickelhaupt vom Zentrum Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck. Der Nassauer Regierungspräsident Karl Ibell führt die Feder des Unionsedikts, die Synodalen nicken nur ab.

Informationen

Autor:Nils Sandrisser / luther2017.de Quelle:epd/Evangelische Kirche der Pfalz (Evangelische Landeskirche) Datum:27-09-17
Schlagworte:
Union Evangelischer Kirchen, Jubiläum, Reformation, Geschichte, Preußen, Nassau

Stationen der Reformation

Die Geschichte der Reformation in Europa ist eng mit Martin Luther verbunden. Doch auch nach Luther trugen Menschen zur Ausbreitung der Reformation bei.

Keine Liebeshochzeit – Vor 200 Jahren entstand die Nassauische Union

Beide Kirchen sind protestantisch, theologisch aber unterscheiden sich Reformierte und Lutheraner. Daher war die Nassauische Union vor 200 Jahren etwas Besonderes. Für das strittige Abendmahl wurde eigens ein „Unionsbrot“ erfunden.