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Kuratoren stellen vor: „Luthers Eintritt in die Hölle“ von Egbert II van Hemskerck

Dorothee Menke, wissenschaftliche Mitarbeiterin, schreibt über ein Gemälde von Egbert II van Hemskerck, das bei „Luther und die Deutschen“ zu sehen ist.

Egbert II van Heemskerck: „Luthers Eintritt in die Hölle“. Öl auf Leinwand, 47,5 x 65,2 cm, um 1700. (Bild: © Internationales Museum der Reformation, Genf)

In dem um 1700 entstandenen Werk des niederländischen Künstlers Egbert II van Heemskerck fühlt sich der Betrachter in die spätmittelalterlichen, apokalyptischen Szenarien Hieronymus Boschs versetzt. Es wimmelt von Ausgeburten der Hölle: Geflügelte und kriechende Mischwesen, skurrile, teilweise musizierende Gestalten mit verzerrten Fratzen, eine Hexe, die auf einem Besen reitet – sie alle flankieren Luther auf dem Weg vor den als riesiges Maul dargestellten Höllenschlund. Der Reformator, durch einen schwarzen Talar mit Pelzkragen und das Barett als Gelehrter charakterisiert, wird auf einem skelettierten Ungeheuer reitend mehreren infernalischen Wächtern vorgeführt. Luthers Einzug wird satirisch als Triumphzug inszeniert: Dem Reformator geht ein Fahnenträger voran, dessen Banner die Aufschrift „vivat martinvs luther“ trägt. Die Begründung für die Höllenfahrt Luthers liefert ein geflügelter Dämon in einem aufgeschlagenen Buch: „Weil er das Wort Gottes verdreht hat“. 

Ein Teil eines Bilderpaars

Das vorliegende Gemälde bildet gemeinsam mit „Calvin in der Hölle“ (dem es nicht besser ergeht) ein als Diptychon konzipiertes Bilderpaar, das als prokatholisches Bildprogramm zu werten ist. Es nimmt eindeutig auf reformationszeitliche, antikatholische Spottbilder Bezug (z.B. „Die Höllenfahrt des Papstes“ von Hans Sebald Beham, 1524) und dreht den Spieß nun um, indem es die Reformatoren zur Hölle schickt. Die Darstellungen entstanden vor dem Hintergrund konfessioneller Konflikte des späten 17. Jahrhunderts in Großbritannien: Der zum Katholizismus übergetretene König Jakob II. war 1688 abgesetzt und durch protestantische Nachfolger ersetzt worden. Im Gegensatz zu seinem gleichnamigen, ebenfalls künstlerisch tätigen Vater, der etwa durch Gemälde von zechenden Mönchen eher Werke mit antikatholischem Unterton schuf, sympathisierte der vorwiegend in London tätige Egbert II van Heemskerck mit den katholischen Parteigängern Jakobs II. 

Warum mir das Bild gefällt: Während zahlreiche, mitunter äußerst derbe, antikatholische Bildwerke der Reformationszeit bekannt sind, spiegelt dieses Gemälde den Blick der Gegenseite fast 200 Jahre nach dem Thesenanschlag wider: Luther wird hier als Wurzel allen Übels in Szene gesetzt. Auf den heutigen Betrachter wirkt die Darstellung trotz der vielen furchteinflößenden Wesen vergleichsweise harmlos, was wohl nicht zuletzt in Luthers recht unbeeindrucktem und eher freundlichen Gesichtsausdruck und seinem beinahe niedlich anmutenden Reittier begründet liegen mag.


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst.