Er verband pietistische Frömmigkeit mit progressiver Pädagogik und machte die von Luther angestoßene Bildungsoffensive, die Verbreitung der Bibel und die Reformen des Sozialwesens zu wichtigen Zielen seines Wirkens.
Ein von ihm gegründetes Waisenhaus war die Keimzelle der späteren Franckeschen Stiftungen. Die erste protestantische Mission, die Diakonie, die Realschule in Deutschland, Millionen deutschsprachiger Volksbibeln und eine Vielzahl der gängigen evangelischen Kirchenlieder haben hier ihren Ausgangspunkt.
Ausgestopfte Tiere und Schulgärten
Franckes pädagogisches Konzept war umfassend und revolutionierte mit der Einführung des Realienunterrichts das Schulsystem. Alle gesellschaftlichen Schichten bedenkend, erhielt vom Waisenkind bis zum adligen Zögling jeder Schüler eine lebensnahe Ausbildung, in dem nicht theoretisch, sondern anhand von „Realien“ wie Modellen, ausgestopften Tieren, wissenschaftlichen Geräten, naturkundlichen Objekten und mittels praktischer handwerklicher Tätigkeiten in Werkstätten und Schulgärten unterrichtet wurde. Das Schulsystem war durchlässig. Die Kinder wurden in ihrem Lernalltag individuell beobachtet und konnten je nach Begabung auch in die höhere Schulform wechseln.
Dabei hatte August Hermann Francke früh die Notwendigkeit der Professionalisierung des Lehrstandes erkannt und bildete in der Folge einen Teil seiner Theologiestudenten systematisch zu Lehrern aus. Diese Aufgabe institutionalisierte er mit der Gründung des ersten Lehrerbildungsseminars in Deutschland im Jahr 1696 und trug so maßgeblich zur Entstehung des Lehrerberufs bei.
Lehr-, Lern- und Lebensort für mehr als 4000 Menschen
Bis ins 19. Jahrhundert haben sich die Stiftungen als Schulstadt etabliert und bestanden bis 1946 als christliche und humanistische Einrichtung. Zwischen 1946 und 1991 hatten sie ihre Selbstständigkeit verloren.