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Jan Hus
Jan Hus (Foto: Wikimedia Commons)

Jan Hus wurde 1371 als Kind einer armen böhmischen Familie geboren. Er studierte Philosophie und Theologie in der Hauptstadt Prag, die, wie ganz Böhmen, im 14. Jahrhundert von einem politisch einflussreichen Klerus dominiert wurde. Ethnisch waren Stadt wie Universität zweigeteilt: Einer deutschsprachigen Elite unterstand die aufstrebende tschechischsprachige Bevölkerung.

Vor diesem Hintergrund wurde die Universität Prag neben der Bethlehemskapelle Hus' zentraler Wirkungsort als Dozent, Prediger und später auch Rektor. Durch seine Predigten und Schriften erschütterte Hus grundlegend das Selbstverständnis und die hierarchische Ordnung der Kirche: In Anlehnung an den englischen Theologen John Wyclif sah er die Kirche als Gemeinschaft der von Gott zum Heil Vorherbestimmten (Prädestinationslehre). Da sich kein Mensch auf Erden, nicht einmal der Papst aber der göttlichen Gnade gewiss sein könne, verlor die weltliche Macht des Papsttums jede Legitimität.

Der Papst quittierte Hus' Reformvorschläge mit dem Kirchenbann

Hus sah als Haupt der Kirche allein Christus, als ihr wahres Fundament die Bibel. Die in seinen Augen sündige Institution Kirche hatte durch Ablasshandel und Unzüchtigkeit ihren Vertretungsanspruch verloren. Hus wollte Gläubigen eine stärkere Teilhabe ermöglichen: Die Kelchkommunion, sowie das Recht zu predigen sollte auch Laien zuteilwerden. Eine weitere entscheidende Neuerung: Hus predigte in Tschechischer Sprache. Der Papst quittierte Hus' Reformvorschläge 1410 mit dem Kirchenbann.

Hus erlangte unter den Böhmen große Beliebtheit. Grund dafür waren seine weithin verständlichen Predigten und sein Geschick, Theologie und politische Forderungen nach mehr Mitspracherecht für die Böhmische Bevölkerung zu vereinen. Im Böhmischen König Wenzel fanden Hus und seine Anhänger zeitweilig einen Unterstützer. Er verhalf den Reformern zu mehr Macht an der Universität (Kuttenberger Dekret) und schützte Hus nach dem Bann vor Verfolgung.

Auf Druck von Rom ließ er Hus 1412 jedoch mit Blick auf die mögliche Kaiserkrone und Einnahmen aus dem päpstlichen Ablasshandel fallen. Hus floh daraufhin aus Prag und revidierte auf dem Land die Bibel in tschechischer Sprache. Die tschechische Bibel wird 1488 zum ersten Mal in Prag gedruckt. Ende des 16. Jahrhunderts entstand mit der Kralitzer Bibel die erste vollständige tschechische Bibelübersetzung.

Hus widerrief nicht

Ebenfalls mit Blick auf die Kaiserkrone ließ Wenzels Halbbruder Sigismund, römisch-deutscher König, 1413 das Konstanzer Konzil einberufen. Die Einheit der damals von drei Päpsten regierten Kirche sollte wiederhergestellt werden und ein neuer Papst gewählt werden. Sigismund hoffte, von diesem später zum Kaiser gekrönt zu werden. Dazu musste das Konzil zunächst aber Einigkeit in Glaubensfragen herstellen und so lud Sigismund den verbannten Hus unter Zusicherung von freiem Geleit nach Konstanz ein.

Denkmal Hussenstein
Denkmal Hussenstein (Foto: Konzilstadt Konstanz)

Hus erhoffte sich einen konstruktiven Dialog und willigte trotz Angst vor einer Verhaftung ein. Er kam im November 1414 in Konstanz an und wurde kurze Zeit später von den Kardinälen verhaftet und vom päpstlichen Inquisitionsgericht der Ketzerei angeklagt. Sigismund ließ die Geistlichen gewähren, um eine mögliche Überwindung der Kirchenspaltung nicht zu gefährden. Er versuchte lediglich, Hus vor der Hinrichtung zu bewahren, indem er ihn zum Widerruf seiner Lehren bewegen wollte. Hus widerrief nicht und wurde am 6.7.1415 vor den Toren von Konstanz verbrannt.

Hus' Tod brachte seine Anhänger, die Hussiten, noch stärker gegen den Papst auf, Sigismund warfen sie Geleitbruch vor. Während ein gemäßigter Teil versuchte, durch Dialog Reformen (v.a. den Laienkelch) durchzusetzen, organisierten die radikaleren Taboriten sich militärisch und gründeten neue Städte (z.B. Tabor), in denen eine ideale Gemeinschaft in Gleichheit leben sollte. Sigismund, nach Wenzels Tod 1419 König von Böhmen, konnte erst nach mehreren Kreuzzügen die Aufstände beenden.

„Wir sind alle Hussiten ohne es gewusst zu haben“

Dennoch erzielten die Hussiten Erfolge: Durch die weiträumigen Heerzüge der Taboriten verbreitete sich Hus' Lehre und fand viele neue Anhänger. Im Kuttenberger Religionsfrieden von 1485 erreichten die Hussiten erstmals in der europäischen Geschichte eine landesgesetzlich verankerte Konfessionsfreiheit.

Der böhmische Theologe Comenius nannte Hus den „Ausgangspunkt der Reformation“. Damit begründete er die tschechische Tradition, der lutherschen Reformation die "erste“ Reformation durch Hus voranzustellen. In der Tat gibt es deutliche Gemeinsamkeiten: Die Prädestinationslehre, die Verurteilung von Ablasshandel, die Bibel als ein für jeden Gläubigen einklagbares Grundgesetz und ihre Übersetzung in die jeweilige Landessprache. Luther beschäftigte sich allerdings erst einige Zeit nach der Niederschrift seiner Thesen explizit mit Hus, um dann allerdings festzustellen: „Wir sind alle Hussiten ohne es gewusst zu haben“. In der Folge ließ Luther Hus' Schriften verbreiten und sah sich als seinen direkten Nachfolger.

Immer wieder politisch instrumentalisiert

Im Laufe der tschechischen Geschichte wurde Hus von verschiedenen Seiten politisch instrumentalisiert: Während Nationalisten den Kampf der Hussiten gegen die deutsche Vorherrschaft hervorkehrten, sahen Kommunisten in ihm einen Vorreiter in puncto Gleichheit. Heute ist der Tag seiner Hinrichtung Nationalfeiertag in Tschechien, auch der Wahlspruch der Republik stammt von Hus: „Die Wahrheit siegt“. Von Hus ausgehend verstehen sich viele Tschechen noch immer als Vorreiter für große europäische Ideen, so der Historiker Jiří Rak.

In der Konzilstadt Konstanz halten das Hus-Museum, der Hus-Gedenkstein und das während des Konziljubiläums geplante Hus-Jahr 2015 („Jahr der Gerechtigkeit“) die Erinnerung lebendig. Internationale und ökumenische Gedenkveranstaltungen setzen sich dabei mit Themen wie Toleranz, Umgang mit Andersgläubigen sowie Werten und ihrem Wandel auseinander.