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Von Vorurteilen und Vorbehalten der Reformationsgeschichte

In Magdeburg ist die Drei-Länder-Ausstellung „Am Vorabend der Reformation“ eröffnet worden.

Die ersten Besucher nehmen den Vorabend der Reformation in den Blick (Bild: Luther2017.de)

Im Kulturhistorischen Museum in Magdeburg ist am Mittwochabend die Sonderausstellung „Am Vorabend der Reformation – Alltag und Frömmigkeit in Mitteldeutschland“ eröffnet worden. Der Kultusminister Sachsen-Anhalts, Stephan Dorgerloh, unterstrich in seiner Eröffnungsrede das gemeinsame kulturelle und religiöse Erbe der Region: „Mitteldeutschland ist Lutherland.“ In Zusammenarbeit mit den Mühlhäuser Museen in Thüringen und dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig wurden diese Gemeinsamkeiten im Kulturhistorischen Museum zusammengetragen. Konkret versucht die Ausstellung im Rahmen der Lutherdekade die Zeit vor der Reformation zu beleuchten und dem Besucher ein Bild auf eine Epoche zu geben, in die die Reformatoren hineingeboren wurden.

Eine breitere Sicht auf die Reformationszeit

Dabei müsse man jedoch „aufräumen mit der Mär des finsteren Mittelalters, aus dem die Reformation erwachsen ist“, so Dorgerloh. „Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, dass die Jahrzehnte vor der Reformation eine Krisenzeit gewesen sind.“ Im Gegenteil, neue Forschungserkenntnisse belegen, dass um das Jahr 1500 eine intensive Frömmigkeit und Glaubenspraxis, Pilgerfahrten und Feiertage eine besondere Wertschätzung erfuhren. Der Kirchenbau erlebte sogar einen regelrechten Boom. Auch Ilse Junkermann, Bischöfin der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland, sah die Notwendigkeit, der Vorstellung entgegenzutreten, dass „Martin Luther mit der Fackel der Reformation die Menschen erleuchtete.“ Für sie sei die Ausstellung wichtig, weil sie „unser unkritisches Selbstbild korrigiert. Als Menschen des 21. Jahrhunderts glauben wir alles besser zu wissen. Aber ein aufgeklärter Mensch zu sein ist mehr, da unser Wissen begrenzt ist und wir bestimmte Einsichten auch revidieren müssen.“ Die Ausstellung lade deshalb zu einem toleranten Blick in die Vergangenheit ein. Diese Ansicht teilte auch Raimund Sternel, Generalvikar des Bistums Magdeburg. Die Ausstellung gebe eine breitere Sicht auf die Reformationszeit. Dabei könne die katholische Kirche lernen, einige Vorbehalte und Vorurteile zu überwinden.

Bereits zuvor hatte Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper mit Blick auf die Rolle seiner Stadt als Brennpunkt der Reformationsgeschichte deren „einzigartiges Potential für die Zukunft“ hervorgehoben. Er kündigte an, dass Magdeburg sich in den kommenden Jahren als Kulturhauptstadt bewerben werde, betonte jedoch zugleich, dass „ein Projekt wie dieses kein Selbstläufer ist, sondern großer Anstrengung und Hilfe bedarf“. Im Reformationsjubiläumsjahr 2017 wird es deshalb mit der Ausstellung „Gegen Kaiser und Papst – Magdeburg und die Reformation“ eine weitere Ausstellung zu dem Thema geben.

Besonderheiten der Ausstellung

Für Gabriele Köster, der Direktorin der Magdeburger Museen, sind es zwei herausragende Merkmale, die die Ausstellung im Kulturhistorischen Museum besonders machen. Erstens ermöglichten die intensiven Forschungsarbeiten einen Einblick auf die Reformation in Mitteldeutschland, der „weder im 19. noch im 20. Jahrhundert möglich gewesen“ sei. Die zweite Besonderheit liegt in der konkreten Ausrichtung auf die drei Standorte, was diese somit von einer normalen Wanderausstellung unterscheidet. Es wird der jeweilige regionale Schwerpunkt in den Fokus gerückt und die regionalen Erfahrungen und Präferenzen hervorgehoben. Für den Standort Magdeburg ist es gelungen, Exponate aus Stolberg, Salzwedel und Zerbst, aber auch aus den bedeutenden Domschätzen Halberstadt und Quedlinburg zu gewinnen. Unterstützt wird diese Ausstellung durch das umfangreiche Korrespondentennetzwerk in Sachsen-Anhalt ein. Zum Abschluss der Eröffnung führte der Kurator, Dr. Hartmut Kühne, die anwesenden Gäste durch das Museum und erläuterte den Besuchern den Aufbau und die Struktur der Ausstellung.

Einblicke in eine Zeit intensiver Frömmigkeit

Bis zum 15. Februar 2015 haben Besucher die Möglichkeit, eindrucksvolle Denkmäler der Geschichte und Kultur des Spätmittelalters zu sehen. Auf etwa 500 Quadratmeter Ausstellungsfläche zeigt das Museum 200, bisher kaum bekannte Exponate aus Domschätzen, Bibliotheken, Museen und Kirchengemeinden aus Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Die Ausstellung lädt dazu ein, sich im Vorfeld des Reformationsjubiläums 2017 in spätmittelalterliche Denkweisen und religiöse Praktiken hineinzuversetzen und räumt dabei mit den gängigen Vorstellungen und Vorurteilen über die Zeit vor der Reformation auf. So war der Vorabend der Reformation weder eine Krisenzeit voller kirchlicher Missbräuche und allgemeiner Unruhe gewesen, noch stellten Ablässe einen Freikauf von Sündenstrafen dar. Nicht einmal Martin Luthers Bibel stellte die erste deutsche Bibelübersetzung dar, denn es hatte bereits zuvor schon acht deutsche Übersetzungen gegeben. Die Ausstellung präsentiert das religiöse Leben im Spätmittelalter und führt hierfür eindrucksvolle Denkmäler der Geschichte und Kultur jener Epoche zusammen. Verschiedene Skulpturen, Tafelgemälde und Goldschmiedearbeiten, aber auch farbenfrohe Tafelgemälde und wichtige Urkunden laden den Besucher in eine Epoche vor der Reformation und den Beginn der Neuzeit ein.

Korrespondenzortnetzwerk als Blickwinkel auf religiöses Alltagsleben

Wer mehr über die Zeit vor der Reformation und das Leben im Mittelalter erfahren möchte, kann, neben der Ausstellung im Kunsthistorischen Museum, elf weitere Orte in Sachsen-Anhalt bereisen, die Teil des Korrespondenzort-Projektes „Stätten der Frömmigkeit im späten Mittelalter“ sind. Zahlreiche Kirchen, Museen und historische Stätten vermitteln dem Besucher vor Ort Eindrücke von der Welt, in die die Reformatoren hineingeboren wurden.


Kulturhistorisches Museum Magdeburg, Öffnungszeiten: Di-Fr 10-17 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr.Der Eintritt kostet 6 Euro (erm. 4 Euro). Informationen unter Tel.: 0 391-540 35 30, Führungsanfragen unter Tel.: 0 391-540 35 01.

 

 

Informationen

Quelle:luther2017.de Datum:06-11-14
Schlagworte:
Lutherdekade, Reformation, Magdeburg, Luther erleben, Lutherstätten