Martin Luther im Kreise seiner Familie, singend und Laute spielend, in mittelalterlicher Stube unterm glänzenden Weihnachtsbaum: Das Bild ist eine Ikone des Protestantismus. Auch wenn die Luther-Weihnacht in dieser Form der historischen Realität von 1536 kaum entsprochen hat – der Christbaum war noch nicht erfunden –, so spiegelt sich in den im 19. Jahrhundert verbreiteten Darstellungen doch ein ganz besonderer Aspekt der Reformation: die Musik als Trägerin der frohen Botschaft. Luther selbst musizierte mit Lust. Er schrieb mehr als 30 Kirchenlieder – auch das bekannte Weihnachtslied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“.
„Vom Himmel hoch“ als Kinderlied zur Weihnacht“
Aus der Stahlradierung von Carl A. Schwerdtgeburth „Martin Luther im Kreise seiner Familie zu Wittenberg am Christabend 1536“ (1843) scheint dieses Lied förmlich zu leuchten. Luther hatte „Vom Himmel hoch“ wohl 1534 zur Bescherung für seine Kinder geschrieben, vielleicht sogar speziell für seine Tochter Margarete, die im Advent geboren wurde. Die Strophen folgen einem Teil der Weihnachtsgeschichte: Engel, Hirten und letztlich die Gläubigen selbst kommen wie in einem Krippenspiel zu Wort, um den neugeborenen Heiland zu verehren.
Zunächst gab Luther seinem fünfzehn Strophen umfassenden Gedicht die Melodie eines Gassenhauers mit, aber das tat der heiligen Sache keinen Abbruch. Die Kontrafaktur – also neue Texte auf vorhandene Melodien zu dichten – war damals verbreitet. Neu war es, weltliche Weisen in geistliche Musik zu transponieren. Dies dürfte – neben dem Buch- und Notendruck – dazu beigetragen haben, dass sich die reformatorischen Gedanken so rasch und weit verbreiteten, wie der evangelische Theologe Johann Hinrich Claussen in seiner „Geschichte der Kirchenmusik“ schreibt.