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Ueberschär: Kirchentag 2017 als ein ökumenisch und interkulturell offenes Ereignis

Kirchentags-Generalsekretärin Ueberschär im Interview: Reformationsjubiläum nicht als "Luther-Festspiele"

Ellen Ueberschär
(Foto: epd-Bild/Andreas Döge)

Das Reformationsjubiläum soll nach den Worten der Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär nicht als "Lutherfestspiele" begangen werden. Deshalb sei man mit der Wahl der Schweizerin Christina Aus der Au zur Kirchentagspräsidentin 2017 sehr glücklich, sagte Ueberschär dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die reformierte Theologin werde andere Strömungen der Reformation einbringen. "Der Kirchentag möchte 2017 ein ökumenisch und interkulturell offenes Ereignis gestalten", sagte die Generalsekretärin. Unter anderem ist ein großer Festgottesdienst in Wittenberg geplant.

epd: Das Reformationsjubiläum 2017 rückt näher. Auch für den Kirchentag, der zum 500. Jahrestag der Reformation in Berlin und Wittenberg stattfinden soll. Wie ist der Stand der Vorbereitungen?

Ellen Ueberschär: Im Mai 2013 hat sich der gemeinsame Leitungskreis von Evangelischer Kirche in Deutschland (EKD) und Kirchentag konstituiert. Das Gremium soll die gemeinsamen Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum 2017 steuern. Der Kirchentag möchte 2017 ein ökumenisch und interkulturell offenes Ereignis gestalten. Geplant ist unter anderem ein großer Festgottesdienst in Wittenberg. Dieser Kirchentag soll zusammen mit dem "Kirchentag auf dem Weg" in Mitteldeutschland stattfinden. Vonseiten der EKD wird eine Weltausstellung des Protestantismus, ein Jugendcamp und ein Stationenweg geplant. Damit soll auch ins Bewusstsein gerückt werden, dass Mitteldeutschland eine bedeutende, aber zu wenig wertgeschätzte Kulturlandschaft ist.

Erstmals in seiner Geschichte rückt der Kirchentag dabei eng mit der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zusammen. Wie verträgt sich das?

Ueberschär: Wir haben im Präsidium lange beraten, ob und in welcher Form wir eine Kooperation mit der EKD, mit der verfassten Kirche, eingehen. Ich gehöre zu denjenigen, die dafür sind, dass die Dinge eine rechtliche Struktur haben. Dazu gibt es eine Satzung mit einem klar umrissenen Zweck. Es hat sich herausgestellt, dass die Idee, Synergien zu schaffen, eine gute war. Die Bündelung der Kräfte hat einen großen Charme. Der Rat der EKD will die Kirchentagsstrukturen nutzen und einen Teil der Veranstaltungen zum Reformationsjubiläum in Projektleitungen vorbereiten. Der Kirchentag bringt dabei den Gedanken der Partizipation ein, die das Besondere der Kirchentagsbewegung ausmacht. Die Gemeindemitglieder vor Ort wissen, wo sie mitwirken können.

Mit Christina Aus der Au, die als Kirchentagspräsidentin für 2017 gesetzt ist, wird zudem eine Schweizer Theologin integriert.

Ueberschär: Wir sind hier sehr glücklich mit dieser Wahl. Denn unser Ziel ist es, 2017 nicht als "Lutherfestspiele" zu begehen. Die Präsidentin für 2017 aus der Schweiz bringt schon geografisch andere Strömungen der Reformation mit ein.

Wie begleitet der Kirchentag den Weg zum Jubiläum, die Lutherdekade?

Ueberschär: Der Kirchentag 2015 in Stuttgart wird eng mit dem Thema der Lutherdekade "Bild und Bibel" verbunden sein. Als Kirchentag sind wir ein einprägsames Bild des Protestantismus. Wir sind sehr nah an der Bibel. Das Präsidium diskutiert über die sieben Bibeltexte. Mit den Losungen werden Textpakete für die Bibelarbeiten, Feierabendmahle und Gottesdienste des Kirchentages geschnürt. In Stuttgart gehören zu den Kirchentagsbesucherinnen und -besuchern Menschen, die mehr von Hermeneutik verstehen als anderswo. Hier leben mehr Menschen, die ein großes Verständnis biblischer Texte haben, denen das wichtig ist. Zugleich soll Stuttgart aber auch ein politischer Kirchentag werden.

An welche Themen denken Sie hier?

Ueberschär: Noch sind wir im Prozess der Themenfindung. Im März 2014 werden wir sagen, wo wir an die Maßstäbe, die wir in Hamburg gesetzt haben, anknüpfen: im Bereich von Wirtschaft, von Inklusion und Demokratie.

2015 wird mit dem Chef des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim, Andreas Barner, ein Mann aus der Wirtschaft Präsident des Kirchentages.

Ueberschär: Das Thema Wirtschaft erfreut sich derzeit in der evangelischen Kirche einer gewissen Unentschlossenheit. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen Wirtschaftskritik und dem Dialog mit Führungskräften aus der Wirtschaft. Für den Kirchentag stellt sich die Frage, wie wir diesen Dialog fortentwickeln, während zugleich auf dem Markt der Möglichkeiten die wirtschaftskritischen Stimmen vertreten sind und sein sollen. Andreas Barner ist ein sehr aufmerksamer, sensibler Unternehmer, der sich dieser Spannung bewusst ist. In Stuttgart bietet sich die Chance, hier weitere Türen zu öffnen zu Unternehmensführungen, den Hamburger Wirtschaftsdialog weiter zu verstärken. Seit 2000 versucht der Kirchentag, Themen wie Globalisierung und wirtschaftliche Zusammenhänge besser zu integrieren.

In noch ferner Zukunft liegt ein anderes Vorhaben. Kirchentag und katholische Laienbewegung sind grundsätzlich einig, 2019 einen 3. Ökumenischen Kirchentag auszurichten. Wie ist der Stand der Planungen?

Ueberschär: Wir sind in guten Gesprächen, das Präsidium hat in seiner letzten Sitzung im November noch einmal bekräftigt, dass es einen 3. Ökumenischen Kirchentag 2019 weiterhin anstrebt in Zusammenarbeit mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken.

Mit Franziskus hat die katholische Kirche einen Papst, der sehr viel Reformwillen zeigt. Was bedeutet dieser katholische Aufbruch für die evangelische Kirchentagsbewegung?

Ueberschär: Für uns ist interessant, wie Franziskus wahrgenommen wird. Der Name, die symbolischen Gesten des Papstes stehen für eine klare Option für die Schwächeren. Das wird die evangelische Kirche mehr unter Druck setzen als Benedikts Botschaft von der Entweltlichung. Bei Franziskus' Plädoyer für eine arme Kirche muss man gar nicht an Badewannen in privaten Wohnungen von Bischöfen denken. Schaut man sich die Kirchenaustritte nach der Affäre in Limburg an, sind wir als evangelische Kirche von den überhöhten Baukosten fast genauso betroffen. Da wird kaum differenziert. Evangelische und katholische Christinnen und Christen sitzen in einem Boot.

Das trifft auch zu auf die Debatte über die Staatsleistungen, die nach den Vorgängen im Bistum Limburg erneut entbrannt ist. Wie beurteilen Sie Forderungen nach deren Abschaffung?

Ueberschär: Was in der Verfassung steht, ist keine persönliche Einstellung. Die Staatsleistungen wurden in der Verfassung von 1919 festgeschrieben ebenso wie die Konditionen zu einer Ablösung. Das gilt bis heute. Die Diskussion um die Staatsleistungen wird jetzt teilweise dazu benutzt, das Religiöse weiter ins Private zu drängen.

Was muss geschehen?

Ueberschär: Wir brauchen eine offene Diskussion. Eben auch, um den vielen Missverständnissen zu begegnen, die in der Debatte über Kirchenfinanzen unterwegs sind. Beispielsweise wird suggeriert, die Kirche stecke sich das, was die Diakonie aus öffentlichen Haushalten erhält, in die eigene Tasche. Die Diakonie bekommt Fördermittel und Zuschüsse der öffentlichen Hand für Leistungen, die sie für die ganze Gesellschaft erbringt. Wie andere soziale Träger auch. Deshalb würde ich eine klärende Diskussion begrüßen. Doch es ist Aufgabe der Politik, den Dialog zu beginnen.

Was kann hier der Kirchentag leisten?

Ueberschär: Ich sehe als einen Auftrag, positive Nachrichten über die Wirkung des christlichen Glaubens in der Gesellschaft zu verbreiten. Auch um Auffassungen zu widersprechen, dass das Religiöse ins Private gehört. Eine der Ursachen für die Verdrängung von Religion aus der Öffentlichkeit sehe ich in einer falsch verstandenen Interreligiosität nach dem Motto: 'Wir werfen das Religiöse raus, dann haben wir auch keine Bevorzugung des Christlichen.' Ich sehe den Platz für Kirchen, für religiöse Argumente, auch für religiöse Debatten in der Öffentlichkeit. Dabei geht es darum, zwar Kontroversen zu benennen, aber nicht gegenseitig Konflikte zu schüren. Das ist ein Zukunftsthema das schwer zu knacken ist angesichts unausgesprochener Ängste und Mentalitäten, die sich seit Hunderten von Jahren fortsetzen.

Informationen

Autor:epd-Gespräch: Rainer Clos und Barbara Schneider Quelle:epd Datum:23-12-13
Schlagworte:
EKD, Kirchentag, Ökumene, 2015, DEKT, Ellen Ueberschär