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Sommertage in Orange

Kirchentag feiert fünf Tage lang das Reformationsjubiläum

Rund 120 000 Menschen besuchten den Abschlussgottesdienst des Kirchentags auf den Elbwiesen in Wittenberg. (Bild: epd-bild / Thomas Lohnes)

Vom Politikstar Obama bis zum Kabarettisten Hirschhausen: Das vielfältige Programm des evangelischen Kirchentags hat in Berlin und Wittenberg mehr als 100 000 Menschen angezogen. Zum Schluss wurde ein großes Fest in der Lutherstadt gefeiert.

Leuchtendes Orange in der U-Bahn, in der S-Bahn, im Bus und auf der Straße: Mit seinen Tüchern, T-Shirts, Bändern und Programmbüchern hat der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag unter dem Motto des Bibelverses „Du siehst mich“ in Berlin auch ganz eigene farbliche Akzente gesetzt. Die Orte der gesellschaftspolitischen Debatten, der Gottesdienste und des umfangreichen Kulturprogramms waren über die ganze Stadt verteilt, die Kirchentagsteilnehmer deshalb viel unterwegs. Es wurde über den Dialog der Religionen, Grenzen der Toleranz und die Verteidigung der Demokratie diskutiert.

Eine Kirchengemeinde aus Brandenburg hat das Thema des Miteinanders auf ihre Weise geklärt. Beim großen Abend der Begegnung zwischen Kanzleramt und Gendarmenmarkt zur Eröffnung des Kirchentags am Mittwoch bietet die Junge Gemeinde Neuruppin veganen Döner an, am Stand daneben verkauft der Rest der Kirchengemeinde Bratwurst, Schmalzstullen und Buletten. „Wir sind alle tolerant“, sagt ein Mann vom Veganerstand dazu und lacht. Rund 200 000 Menschen haben den Abend der Begegnung zum Auftakt besucht.

Höhepunkt des Protestantentreffens zum 500. Reformationsjubiläum war der Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama am Brandenburger Tor vor 70 000 Menschen. Auch andere, kleinere Veranstaltungen stießen zum Teil auf so großes Interesse, dass die Räume wegen Überfüllung für weitere Besucher geschlossen wurden, darunter eine Bibelarbeit mit dem Bestsellerautor Bernhard Schlink, die Diskussion des Bischofs der gastgebenden Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, mit einer Vertreterin der AfD und ein Podium mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Berliner Dom. 

Plädoyer für demokratische Streitkultur

In einer polarisierten Gesellschaft blieb auch der Kirchentag kein Harmonietreffen. Andersdenkende waren ausdrücklich eingeladen. So wurde der Kirchentag zum Plädoyer für demokratische Streitkultur. So erntete Bischof Dröge viel Lob für seine argumentative Sezierung von AfD-Positionen. Für die Einladung einer Vertreterin der AfD hatten die Organisatoren zuvor viel Kritik einstecken müssen.

Auch bei anderen Podien wurde hart gerungen. Eine gemeinsame Predigt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Militärbischof Sigurd Rink wurde von Friedensaktivisten gestört. Bei einer Debatte über Rüstungsexporte mit Außenminister Sigmar Gabriel wurden Transparente entrollt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde ausgebuht – von einigen aber auch beklatscht – für seine Haltung zum Familiennachzug von Flüchtlingen. So viel Protest aus dem Publikum hat es beim Kirchentag lange nicht gegeben.

Kirchentagspräsidentin Christina aus der Au, Erzbischof Thabo Makgoba, Primas der Anglikanischen Kirche Südafrikas, Arnd Schomerus, Kirchentagspastor aus Fulda und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim Abschlussgottesdienst in Wittenberg. (Bild: epd-bild/Stefan Arend)

Das Ziel, ein Gesprächsforum für unterschiedliche Weltanschauungen, Religionen und politische Meinungen zu sein, sei jedoch aufgegangen, bilanzierte Kirchentagspräsidentin Christina Aus der Au. Mit seiner Dialogeinladung an Andersdenkende hat der Kirchentag ein Zeichen gegen das Verharren in den berüchtigten Echokammern im Netz gesetzt. Frei nach Luther hat er damit veranschaulicht, was das Ringen mit dem Gewissen, die „Freiheit eines Christenmenschen“, bedeutet, und ist damit vielleicht der bislang „protestantischste“ Beitrag zum Reformationsjubiläum, bei dem bislang vor allem die ökumenische Versöhnung im Vordergrund stand.

Auch Brücken zwischen Christen und Muslimen gebaut

Der Kirchentag in Berlin und Wittenberg habe Brücken zwischen Christen und Muslimen gebaut, hieß es weiter. „Der Besuch des Groß-Scheichs Ahmad al-Tayyeb war ein hoffnungsvolles Zeichen, ein Erfolg und Fortschritt im christlich-muslimischen Dialog. Religionen können sich in der globalisierten Welt nicht länger aus dem Weg gehen“, erklärte Aus der Au.

Kirchentags-Generalsekretärin Ellen Ueberschär ergänzte, der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag habe gleichzeitig den Dialog unter den Muslimen gefördert: „In verschiedenen Foren entzündeten sich innermuslimische Debatten.“ Das sei ein Zeichen für den Erfolg des Kirchentagkonzeptes, einen offenen Raum der Debatte zu schaffen, in dem der vernünftige Austausch von Argumenten möglich ist. Für Bischof Dröge hat das Protestantentreffen gezeigt, „dass es für die großen Herausforderungen in unserer Gesellschaft keine einfachen Lösungen gibt.“ 

Appell an die Jugend, sich einzumischen

Zum Abschluss des Kirchentages in Berlin und von sechs „Kirchentagen auf dem Weg“ in acht mitteldeutschen Städten gingen nochmals Appelle an die Jugend aus, sich einzumischen und für eine bessere Welt zu streiten. Der Gottesdienst auf den Elbwiesen bei Wittenberg vor 120 000 Gläubigen bildete den Höhepunkt der Kirchentagsfeierlichkeiten zum 500. Reformationsjubiläum. Die Kollekte des Gottesdienstes kommt zwei Hilfsorganisationen zugute, die Geflüchtete im Mittelmeer aus Seenot retten, nämlich SOS Méditerranée und Mediterranean Hope.

Auf den sonnenüberfluteten Elbwiesen in Wittenberg rief der Erzbischof von Kapstadt, Thabo Makgoba, in seiner Predigt die Jugendlichen auf, sich nicht entmutigen zu lassen: „Seid radikal.“ Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte: „Vielleicht erleben wir das Wachsen einer Generation 2017, in der junge Leute aufbrechen!“

Mit rund 6000 Gästen war die Inszenierung „Unseres Herrgotts Kanzlei“ in Magdeburg die meistbesuchte Einzelveranstaltung der Kirchentage auf dem Weg. (Bild: epd-bild/Viktoria Kühne)

Kirchentagspräsidentin Aus der Au appellierte an die Protestanten, Auseinandersetzungen nicht zu scheuen. Dialog und Kontroversen gehörten zusammen. Sie forderte dazu auf, auch mit denen zu reden, „die keinen Dialog führen wollen“.

Weiter zur Ökumene ermutigt

Erzbischof Makgoba, ein Nachfolger von Erzbischof Desmond Tutu und Primas der Anglikanischen Kirche des südlichen Afrika, erinnerte an die berühmte Rede von Martin Luther King in den 1960er Jahren: „Wie King, habe auch ich einen Traum für die Welt. Dass eines baldigen Tages all die narzisstischen, nationalistischen und isolationistischen Parolen unserer Zeit verschwinden.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ermutigte in seinem Grußwort die Christen zu noch mehr Gemeinschaft. „Der lebendige ökumenische Austausch zwischen den Konfessionen und die enge Zusammenarbeit der Christen tun dem ganzen Land gut“, sagte er. Auch der katholische Ökumene-Bischof Gerhard Feige rief zu einer weiteren Annäherung der Kirchen auf.

Nach dem Gottesdienst klang der Kirchentag am Nachmittag mit einem Picknick auf den Elbwiesen aus. Dafür versorgten 350 Gastgebergemeinden die Besucher mit selbst gemachtem Essen. Ab dem späten Nachmittag traten unter dem Titel „Live 17“ die Künstler Konstantin Wecker, „Bell Book and Candle“, Judy Bailey und CITY auf. Der nächste evangelische Kirchentag findet 2019 in Dortmund statt.

Besuchererwartungen verfehlt

Ganz aufgegangen ist die Idee des gigantischen Fests der Protestanten jedoch nicht. Bei strahlendem Sonnenschein kamen nach Veranstalterangaben zwar 120 000 Menschen zum großen Schlussgottesdienst nach Wittenberg. Ganz zu Beginn der Planungen hatten die Organisatoren aber auf 200 000 gehofft, die Prognose dann auf 100 000 korrigiert. Immerhin konnte man diese Zahl nun übertreffen.

Bei den Kirchentagen auf dem Weg zählten die Veranstalter insgesamt etwa 180 000 Besucher. Die meisten kamen mit 41 000 in Leipzig zusammen. Die bestbesuchte Einzelveranstaltung fand jedoch in Magdeburg statt, wo 6000 Besucher die Flussinszenierung „Unseres Herrgotts Kanzlei“ mit Schiffsprozession sahen. Ein kleiner Wermutstropfen waren die hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Kartenverkäufe. 106 000 Dauerkarten verbuchten die Veranstalter in Berlin. Geplant hatten sie mit bis zu 140 000. Bei den „Kirchentagen auf dem Weg“ kamen statt erhofften 80 000 verkauften Karten nur 50 000 zusammen.

Informationen

Autor:luther2017.de/Corinna Buschow/Yvonne Jennerjahn Quelle:epd/r2017 Datum:29-05-17
Schlagworte:
Kirchentag, Kirchentage auf dem Weg, Berlin, Wittenberg, Streitkultur, Ökumene

Deutscher Evangelischer Kirchentag und Kirchentage auf dem Weg

Der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag findet im Mai in Berlin und Wittenberg statt. Ergänzend werden in acht mitteldeutschen Städten die Kirchentage auf dem Weg veranstaltet.