War Bach ein Antisemit? Im Jahr des 500. Reformationsjubiläums taucht diese Frage erneut auf. Bach vertonte die Glaubenslehre des Judenfeinds Luther geradezu kongenial – besonders in seinen großen Passionsmusiken.
In den Wochen vor Ostern werden allerorts wieder ergreifende musikalische Passionsgeschichten aufgeführt: die „Matthäuspassion“ und die „Johannespassion“ von Johann Sebastian Bach. Wie kein zweiter verwandelte der große Barockkomponist lutherische Theologie in Töne. Darin spiegelt sich auch die polemische, mitunter hasserfüllte Sicht Martin Luthers auf die Juden, die Jesus ans Kreuz bringen.
So stellt sich dann auch die Frage, ob auch Bach ein Antijudaist war. Klare Belege für eine antijüdische Haltung der Person Bach finden sich nicht. Im Jahr des 500. Jahrestages der Reformation wird jedoch neu diskutiert, wie seine Passionen heute gespielt werden dürfen – Werke, die die Nazis zu „Entjudungs“-Hymnen erklärt hatten.
Vor allem die „Wutchöre“ erregen Anstoß
Wenn es um Antijudaismus in Bachs Musik geht, werden vor allem die „Wutchöre“ in den Passionsmusiken angeführt. Dissonant, chromatisch schleudert der Juden-Chor dem Pilatus in der „Johannespassion“ von 1724 das „Kreuzige ihn“ entgegen, fordert die Freilassung von Barrabas statt Jesus und steigert sich noch: „Weg, weg mit dem, weg, weg!“. Unzweifelhaft die Botschaft in dieser emotionsgeladenen Szene: Die Juden sind in der „Johannespassion“ schuld am Tod Jesu am Kreuz.
In Bachs überwältigender Musik transportiert sich nach Ansicht des Leiters des Eisenacher Bachhauses, Jörg Hansen, die älteste christliche antijüdische Polemik. Hansen hat 2016 in Eisenach die Ausstellung „Luther, Bach und die Juden“ organisiert. Bach behalte die Evangeliumstexte bei, doch gerade diese seien problematisch, sagt er. Die gegen Juden gerichteten Texte des Neuen Testaments seien bei Matthäus Ausdruck der Konkurrenz der jungen christlichen gegen die alte jüdische Religion, bei Johannes schlügen sie in „Verteufelung“ um.