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„Schrei nach Gerechtigkeit!“ – Mainz am Vorabend der Reformation

Eine Sonderausstellung in Mainz zeigt das Leben am Rhein am Vorabend der Reformation.

„Kardinal Albrecht von Brandenburg als hl. Martin“, Simon Frank, Mainz, 1543 (Bild:
© Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz / Schermuly)

Der 31. Oktober 1517 wird allgemein als ein konkreter Zeitpunkt wahrgenommen, an dem der vermeintliche Thesenanschlag an der Schlosskirche den Beginn der Reformation markierte. Tatsächlich war die Reformation aber ein langwieriger und komplexer Prozess, an dessen Ende umfangreiche gesellschaftspolitische Umwälzungen stehen. Doch wie sah die Welt vor dem Beginn der Reformation aus? Das Mainzer Dom- und Diözesanmuseum gibt ab Samstag (05. September) in einer Sonderausstellung Antworten auf diese Frage und gibt Einblicke in die Zeit vor der Reformation.

Ruf nach Gerechtigkeit

„Wissenschaftlich ist der Zeitraum vor Luther relativ schlecht aufgearbeitet“, erklärt Museumsdirektor Winfried Wilhelmy. „Genau da hakt diese Ausstellung ein.“ Ziel der Schau „Schrei nach Gerechtigkeit“ sei es, zu zeigen, wie Kirche und Herrschende in den Jahrzehnten vor Luthers Thesenanschlägen auf soziale Missstände und Forderungen nach Reformen reagierten, so Wilhelmy.

Wie verzweifelt die Menschen damals waren, beweisen die bitteren Worte der „Gerechtigkeitsspirale“, die Inschrift einer um 1510 in Kiedrich aufgestellten Kirchenbank: „Die Gerechtigkeit lit in grosser Not / die Wahrheit ist geschlagen dot.“ In dieser Bank hatte der Herrschaftsvertreter des Mainzer Erzbischofs Platz zu nehmen und wurde dadurch mit den Nöten der Untertanen konfrontiert. Auf diesen Ruf nach gesellschaftlicher und religiöser Gerechtigkeit antworteten die Mainzer Erzbischöfe mit einer durchaus innovativen „Wirtschafts- und Bildungsoffensive“. Mit der Gründung der Mainzer Universität 1477 hielt die humanistische Bildung Einzug und erfasste Laien wie Kleriker gleichermaßen. Im Kloster Eberbach entstand das – für die Ausstellung in Teilen nachgebaute – größte Fass der Welt mit einem Fassungsvermögen von über 70.000 Litern. Ton wurde zum wichtigsten Material der mittelrheinischen Skulptur. Unter Verwendung von Modellen entstanden erstmals auf moderne Weise seriell geformte Werke der Kleinkunst.  

„Teufel mit Seele“ Teil der Kreuzigungsgruppe vom Friedhof St. Ignaz, Mainz, wohl Peter Schro, Mainz, 1519 Sandstein, Tuff, Fassung, 45 x 33,5 cm (Bild: © Mainz, Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Mainz)

Die Regierung des Krummstabes

Durch diesen wirtschaftlichen Aufbruch entwickelte sich unter der „Regierung des Krummstabes“ eine der Innovativregionen des Reiches, die in der Sonderausstellung „Schrei nach Gerechtigkeit“ umfassend vorgestellt wird. Auf 2.000 qm beantworten ca. 220 hochkarätige, zum Teil noch nie gezeigte Werke der Schatz- und Textilkunst, der Buch- und Tafelmalerei sowie der Skulptur die Frage nach den Lebensverhältnissen am Vorabend der Reformation am Mittelrhein.

Geografisch konzentriert sich die Sonderschau auf den Teil des damaligen Erzbistums Mainz, in dem der Erzbischof zugleich weltlicher Herrscher war. Besucher des Dommuseums können zum Beispiel erfahren, wie sich Prediger in Mainz bereits Jahrzehnte vor Luther für gerechtere Steuern einsetzten und den verbreiteten Ablasshandel kritisierten. Sie können auch nachvollziehen, wie Auftragskünstler den Landesherrn als Wohltäter darstellten, während gleichzeitig eine Protestbewegung aufkam. Auch die genannte Bildungs- und Wirtschaftsoffensive der Mainzer Erzbischöfe wird in der Schau thematisiert.

Für die Ausstellung holte das Museum zahlreiche spektakuläre Exponate nach Mainz, darunter kunstvolle vergoldete Reliquienbehälter aus Seligenstadt und Aschaffenburg sowie die aus einem einzigen Holzstamm gefertigte sogenannte Doppelmadonna von Kiedrich. Auch ein aus konservatorischen Gründen gewöhnlich unter Verschluss verwahrter, fast perfekt erhaltener Wandteppich aus den eigenen Beständen wird nach vielen Jahren erstmals wieder öffentlich ausgestellt.


Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum: „Schrei nach Gerechtigkeit! – Leben am Mittelrhein am Vorabend der Reformation“; Ausstellungszeitraum: 5.9.2015-17.1.2016; Öffnungszeiten: Dienstag bis Freitag von 10.00-17.00 Uhr, am Wochenende von 11.00-18.00 Uhr; Eintritt: Eine Eintrittskarte in die Sonderausstellung kostet regulär acht Euro, am persönlichen Namenstag ist der Eintritt frei.
Weitere Informationen unter
 www.dommuseum-mainz.de

Informationen

Autor:luther2017.de Quelle:Bischöfliches Dom- und Diözesanmuseum Datum:03-09-15
Schlagworte:
Reformation, Mainz, Sonderausstellung, Lutherdekade

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