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Im Zug mit ... Bernhard Naumann Interview mit dem Lutherdarsteller und Kirchmeister

Bernhard Naumann
Bernhard Naumann (Bild: privat)

Bernhard Naumann dürfte den wenigsten Menschen außerhalb Wittenbergs bekannt sein, zumindest in seiner Funktion als Kirchmeister der dortigen Stadtkirche. Dennoch genießt Naumann   mittlerweile auch außerhalb der Elbstadt Kultstatus – als Dr. Martin Luther. Seitdem er 1997 anläßlich des Stadtfestes „Luthers Hochzeit“ in die Rolle des Reformators schlüpfte, hat sie sich für Naumann zu einer Art Nebenberuf entwickelt. Ob als Fremdenführer, im Auftrag der evangelischen Kirche, als Repräsentant seiner Heimatstadt oder bei diversen offiziellen Terminen im Rahmen der Lutherdekade – an Naumann als Luther führt irgendwann kein Weg mehr vorbei. Er hält Tischreden, begleitet Stadtführungen und macht Luther für die Menschen auf seine Art greifbar. Dabei kommt ihm auch sein fundiertes Lutherwissen zugute, das er über die Jahre hinweg erworben hat. Er kennt jede Menge Zitate des Reformators und hat sich sogar eine eigene Luthersprache angeeignet, mit der für jede Situation den passenden Satz parat hat. So grüßte er den ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau mit den Worten „Sei gegrüßt, Bruder Johannes“.  

luther2017.de traf die Person hinter der Figur Martin Luther. Mit dem diplomierten  Gartenbauingenieur und Kichmeister sprachen wir über die Lutherdekade, Apfelbäume zum Ende der Welt und warum man gemeinsam mit dem Reformator auch ein Bier hätte trinken können.  

luther2017.de: Herr Naumann, als Martin Luther die 95 Thesen an die Wittenberger Tür schlug, hatte er da geahnt, was er damit anrichten würde?

Bernhard Naumann: Das hat er ganz sicher nicht. Das ist auch belegt. Er wollte erst einmal ganz konkret den ihn ärgernden Ablasshandel zur Diskussion stellen, da dieser nicht mit der Bibel und der Botschaft Jesu übereinstimmte. Wohl betont, nur zur Diskussion. Er hat mit den Thesen nach Wittenberg zu einer Diskussion eingeladen. Sie sollten die Grundlage sein, um über den Ablasshandel zu diskutieren, ihn zu hinterfragen und ihn im Prinzip in  dieser Form  auch zu bekämpfen.

luther2017.de: Um das Leben von Martin Luther ranken sich zahlreiche Legenden – vom berühmten Tintenfass bis zum Blitzschlag. Welche gefällt Ihnen am besten?

Bernhard Naumann: Das ist eine gute Frage. Das eine ist die Sache mit dem Tintenfass. Das drückt ja etwas aus. Luther fühlt sich vom Teufel umlauert, der ihn an seiner Bibelübersetzung stören wollte. Deshalb nimmt er das Tintenfass und wirft es nach dem Teufel, bzw. das Wesen des Teufels, wie etwa Nachtfledermäuse. Diese Geschichte zeigt einfach auch die Angefochtenheit und nicht immer selbstbewusste Art Luthers. Er befand sich in einer ewigen Auseinandersetzung. Nicht nur mit der bestehenden  Kirche.

Eine zweite Sache, und die gefällt mir persönlich am besten, ist eine interessante Legende, nämlich der berühmte Satz mit dem man gerade auch jetzt, kurz vor dem Reformationsjubiläum, auf Luther Bezug nimmt. Dieser lautet: „Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Das ist nachgewiesen, dass der Satz zu hoher Wahrscheinlichkeit nicht von Martin Luther stammt. Er taucht zum ersten Mal überhaupt in Lutherspruchsammlungen des 19. Jahrhunderts auf. In keiner historischen Aufzeichnung, noch in seinen Briefen, den Tischgesprächen und anderen zeitgenössischen Aufzeichnungen ist er überliefert. Man kann getrost annehmen, dass ihn dieser schöne Satz untergeschoben worden ist. Aber er drückt auch was sehr Schönes aus und er könnte auch von Luther stammen. Der Satz gefällt mir schon am allerbesten, weil er eine Lebenseinstellung transportiert, die wir alle brauchen, gerade in unsicheren Zeiten. Dieser Spruch stellt die Energie, Lebensfreude und Hoffnung in die Zukunft wieder in den Mittelpunkt. Selbst wenn morgen also die Welt untergeht, würde ich heute noch meinen Anteil an der Verbesserung der Welt leisten. 

luther2017.de: Zahlreiche Lebensbereiche wurden von der Reformation beeinflusst. Von der Kirche über Freiheit bis hin zur Sprache. Was war Ihrer Meinung nach die größte Leistung der Reformation?

Bernhard Naumann: Martin Luther hat die Botschaft der Bibel einfach nur wieder in den Mittelpunkt gestellt. Die ist gesellschaftlich absolut relevant. Der Mensch ist frei vor Gott und alle Menschen sind gleich. Es gibt keine Hierarchie zu Gott, welche die Kirche in jener Zeit aufgebaut hatte. Selbst die angebeteten Heiligen haben keine Möglichkeit näher an Gott zu sein. Die Kirche selbst kann als Organisation nichts für den einzelnen Gläubigen tun. Der Mensch selbst ist vor Gott allein. Er hat als getaufter Christ aber die Möglichkeit die Gnade Jesu in Anspruch zu nehmen. Der Glaube allein, so das Credo, macht ihn gerecht vor Gott. Diese Erkenntnis ist für mich die Leistung der Reformation bis zu seinen Auswirkungen in die ganze Gesellschaft. 

luther2017.de: In der Lutherdekade treten sie auch als Schauspieler Martin Luther auf. Dabei kommen Sie auch gut rum. Haben Sie das Gefühl, dass sich die Auseinandersetzung mit Martin Luther im Rahmen der Lutherdekade geändert hat?

Bernhard Naumann: Ganz sicher. Er ist wesentlich intensiver geworden. Luther wird beleuchtet, er wird häufiger gesehen und wird in vielfältiger Art und Weise behandelt, wie etwa verschiedenen Kunstgenres. Er wird verfremdet und ins Heute geholt, er wird befragt, was würde er zu den heutigen Themen der Zeit sagen. Er ist glaube ich, aus meiner persönlichen Sicht, einer der populärsten Figur der deutschen Geschichte. Damit meine ich, dass der Zugang der Menschen zu ihm grundsätzlich gegeben ist. Er war auch volkstümlich und ist nicht immer nur der ganz große Theologe, als der er immer dargestellt wurde. Er äußerte sich nicht nur zu Fachthemen, sondern auch zu den einfachen Dingen des Lebens. Luther war jemand, mit dem man sich vorstellen könnte, ein Bier zu trinken. Der Schlüssel ist meiner Meinung nach, dass man über die Figur des Martin Luthers die Menschen auch wieder zu Fragen des Glaubens und Gottvertrauens bringen kann. Außerdem wurde damit klar, dass man gegen Widersprüche aufstehen kann, selbst wenn die Welt voll Teufel wäre, Sollte man trotzdem zu seiner Meinung stehen. Das ist natürlich eine Haltung die wir heute wieder brauchen.

luther2017.de: Was wünschen Sie sich persönlich für das Reformationsjubiläum?

Bernhard Naumann: Den breiten Dialog vieler Menschen zu diesen Themen. Was passiert in Wirklichkeit und welches Bild geben die Kirchen heute ab? Wo ist die Schwierigkeit normale Menschen mit der Botschaft Christi zu erreichen? Diese Schwierigkeit ist ja augenscheinlich da, doch wie kann man sie am Besten überwinden. Ich wünsche mir deshalb, dass im Reformationsjahr Menschen aus aller Welt zusammenkommen und zeigen, was bei Ihnen aus der Reformation 500 Jahre danach geworden ist, nicht nur in der Kirche sondern auch darüber hinaus. Was kann man untereinander und voneinander lernen und welche Wege es gibt. In Deutschland etwa können wir noch von vielen anderen auf der Welt lernen, wie wir viel lockerer und fröhlicher mit dem Thema Glaube und Kirche umgehen können.

Martin Luther sagte: Ein Christ muss ein Fröhlicher Mensch Sein, wenn er es nicht ist, ist er vom Teufel versucht.  

luther2017.de: Vielen Dank für das Gespräch. 

Informationen

Autor:Das Gespräch führte Michael Achhammer Datum:28-10-16
Schlagworte:
Bernhard Naumann, Martin Luther, Lutherdekade, Apfelbäume

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