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Günther Beckstein: Wo ich das Christliche in der Politik finde

Günther Beckstein
Günther Beckstein
(Bild: WikimediaCommons)

„Mit der Bergpredigt kann man keine Politik machen!“ ist ein einprägsamer Satz, der überzeugend wirkt. Selbst die Kirchen setzen ihre Ordnungen im Zweifel mit Hoheitsrechten durch, zum Beispiel bei ihrem Dienstrecht, und wenn es um die Kirchensteuer geht, mit staatlichen Mitteln. Der Rigorismus der Botschaft Jesu Christi wird in der Regel nicht wörtlich genommen.

Stattdessen wird auf die sogenannte Zwei-Reiche-Lehre Martin Luthers verwiesen, um die unterschiedlichen Handlungsebenen deutlich zu machen. Ich räume ein, dass ich selbst als Innenminister und Ministerpräsident immer wieder auf den Unterschied zwischen Gesinnungs- und Verantwortungsethik hingewiesen habe, um deutlich zu machen, dass mein Handeln, wenn es auch manchmal hart erschien, meiner Auffassung von ethischer Verantwortung entsprach. 

Überwindung der konfessionellen Grenzen in der Politik

Ich selbst bin als junger Mann einer Partei beigetreten, da ich christliche Grundwerte dem politischen Handeln zugrunde gelegt sehen wollte. Ich hatte es als zukunftsweisend angesehen, wie in einer Zeit, als in den Kirchen Ökumene eher ein Fremdwort war, die Überwindung der konfessionellen Grenzen in der Politik für die Christlich (Soziale oder Demokratische) Union ein wichtiges Modell für die Gestaltung der Bundesrepublik Deutschland wurde. Aus der Überzeugung, dass jeder Mensch das Ebenbild Gottes ist, wurde die Idee geboren, die Achtung der Menschenwürde als alles übergreifenden Rechtsgrundsatz des neuen Staates allem Recht voranzustellen. Damit einher geht das Anliegen der Reformation, die Religions- und Gewissensfreiheit des Individuums zu achten und ihr Geltung zu verschaffen. Dieses Anliegen betrachte ich als einen Fortschritt in der Geistesgeschichte Europas.

Muss die Kirche zu allem und jedem Stellung nehmen? Da rate ich zur Zurückhaltung. Kirchliche Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen sind nicht automatisch sachkundiger und damit auch unter ethischen Aspekten richtiger als die in der Regel von großen Stäben von Beamten geprägten politischen Entscheidungen. Ich zweifle daran, dass die Kirchen in großen schwierigen Fragen wie der Krise des Euro die besseren Lösungen haben als die große Zahl der damit beschäftigten Experten. Andererseits hat die Kirche den Auftrag, zu grundlegenden ethischen Fragestellungen begründet Stellung zu nehmen. Zum Auftrag der Kirche gehört für mich auch, sich als Anwalt der Schwachen zu Wort zu melden. Und: Die Kirche soll Menschen ermutigen zum Engagement in der Politik, soll sie in ihrem Einsatz für unser Land bestärken und begleiten.


Günther Beckstein ist CSU-Politiker und Vize-Präses der EKD-Synode. Von 2007 bis 2008 war er Ministerpräsident in Bayern.

Der Text ist erschienen im EKD-Magazin „Reformation.Macht.Politik“. Das Magazin (DIN A 4) gibt es als PDF-Download oder kostenlos beim Kirchenamt der EKD (Bestelladresse: Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover, E-Mail: jessica.jaworski@ekd.de). Weitere Texte zum Themenjahr „Reformation und Politik“ sowie Materialien zum Download finden sich unterwww.ekd.de/reformation-und-politik.

 

 

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Schlagworte:
Themenjahr 2014, Reformation und Politik, Günther Beckstein