Neben seinen zahlreichen Äußerungen zu Glaube und Religion hat der Reformator Martin Luther auch zu anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg gehalten, so auch zum Thema Ehe und Familie. Da stellt sich die Frage, ob Luther in diesen Bereichen auch eine ähnlich große Wirkung entfaltet hat. Oder kurz formuliert: Begann mit dem Thesenanschlag auch eine Gender-Reformation?
Diese und dazugehörige Fragestellungen werden bei einer internationalen Tagung an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität im Mittelpunkt stehen. Vom 29. Juni bis zum 1. Juli 2017 werden sich unter dem Titel „Glaube und Geschlecht – Gender Reformation“ renommierte Experten und Expertinnen aus Kirchen- und Rechtsgeschichte, Geschichtswissenschaft, den Sozial- und Islamwissenschaften, Philosophie und dem Kirchenrecht mit diesem Aspekt der Reformationsgeschichte auseinandersetzen. Über einhundert Gäste aus Deutschland, der Schweiz, Österreich und England werden erwartet.
Thema sind Wechselwirkungen von Glaube und Geschlecht
„Aus unterschiedlicher Perspektive werden wir – ausgehend vom protestantischen Frauen- und Männerbild – auch intensiv über die Wechselwirkungen von Glaube und Geschlecht in anderen Religionen wie dem Hinduismus, Buddhismus, Judentum und Islam diskutieren“, so die wissenschaftliche Leiterin und Organisatorin der Tagung, Eva Labouvie, Professorin für Geschichte der Neuzeit an der Universität Magdeburg. „Die Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Vereinbarkeit vor allem nichtchristlicher Gesellschafts- und Geschlechterordnungen mit denen christlich geprägter europäischer Länder dürfte zu den aktuellsten Fragen der Gegenwart zählen“, erläuterte Labouvie weiter. Sie ermögliche zudem Einsichten zur Förderung eines toleranteren und respektvolleren Miteinanders verschiedener Religionen.
Die Reformation habe Frauen völlig neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet und die Geschlechterordnung nachhaltig verändert. Insofern bleibe ohne die Frage nach „Glaube und Geschlecht“ die Agenda des Reformationsjubiläums unvollständig. Aus dieser Motivation heraus organisierte die Historikerin und Genderforscherin Labouvie von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg die internationale Tagung „Glaube und Geschlecht – Gender Reformation“ als offiziellen Beitrag der Magdeburger Universität zum Reformationsjubiläum 2017.
Hatte vor Luther noch das Bild von Adam und Eva als von der Kirche vorgegebenes Ideal gegolten, erhob der Reformator die Ehe zum Ideal. Uneheliche Beziehungen, wilde Ehen, Keuschheit oder das Zölibat lehnte Luther ab. Erstmals wurde die Rolle der Frau als Hausfrau mit Zuständigkeit für die Erziehung der Kinder festgelegt, während der Mann berufstätig ist. Diese Idealisierung wirkt bis heute nach. Die Tagung will aber auch untersuchen, wie „die Rollen von Mann und Frau innerhalb der verschiedenen Religionen konzipiert sind und umgekehrt, was die Religionen für das Alltagsleben von Mann und Frau vorgeben”, sagte Organisatorin Labouvie.