Die Buchpresse revolutionierte vor 500 Jahren die Medien – und Martin Luther mit ihrer Hilfe die Kirche. Aber er war nicht der Einzige. Bei der Wittenberger Weltausstellung zeigt der Schweizer Kirchenbund eine andere Seite der Reformationsgeschichte.
Am 20. Mai, wenige Stunden nach dem Startschuss zur Weltausstellung, eröffnen die Schweizer „Prophezey“. In dem weißen Holzpavillon mit den waldgrünen Planen im Wittenberger Stadtpark möchten sie Reformation und Gegenreformation darstellen, die Freundschaft feiern zwischen Lutheranern und Reformierten. Dass sich die Beiden heute so nah sind, sei angesichts der verschiedenen theologischen Auffassungen der Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli nicht selbstverständlich, sagen die anwesenden Vertreter der schweizerischen Kirchen. Aber sie haben eine gemeinsame Glaubensgrundlage: die Bibel. Sie wird von diesem Tag an bis zum Ende der Freiluftausstellung am 10. September in der idyllisch grünen Umgebung für Knarzen sorgen.
„Dass die Besucher bei uns etwas aktiv erleben können, scheint sich mittlerweile herumgesprochen zu haben, denn in letzter Zeit kommen sie vermehrt“, sagt Manuel Erhardt. Er ist Historiker und seit der Eröffnung vor zwei Monaten Verantwortlicher des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes für den Pavillon. Wer eintritt, kann sich zunächst über die Schweizer Reformation und ihre Protagonisten Ulrich Zwingli oder Johannes Calvin informieren. Im Raum dahinter liegt das „Schmuckstück“, wie Erhardt es nennt.
Zürcher Bibel schon 1531 fertig
Die Bibeldruckpresse ist aus Holz. In einen Rahmen wird weißes Papier geklemmt und auf mit Farbe bestrichene Reliefplatten geklappt. Bewegt man dann den langen Hebel in einem Radius von fast 180 Grad parallel zum Boden, drückt ein weiteres Stück Holz die Schichten gegeneinander. „Für viele Menschen aus dem Luther-fokussierten Deutschland ist es spannend zu sehen, dass unsere Zürcher Bibel von 1531 schon drei Jahre vor Luthers Bibel fertig war“, sagt Erhardt: „Allerdings in Zürcher Dialekt.“
Drucke, die Besucher hier selbst anfertigen, dürfen sie sich als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Ein Abiturient aus Wittenberg ist schon zum dritten Mal gekommen: „Ich glaube, dass Reformation, die sich nur auf Luther bezieht, uneinsichtig ist“, sagt der junge Mann und hilft, die Bibelpresse für den nächsten Durchgang flott zu machen. Für 204 Seiten des Zürcher Neuen Testaments liegen Nyloprint-Platten bereit. Eine Platte hat 5.000 Zeichen, an diesem Tag sind aber auch Illustrationen von Hans Holbein dem Jüngeren dran, die ganze Seiten ohne Text füllen.