Protestanten der ersten Stunde

Das Themenjahr 2016 rückt die internationale Wirkung der Reformation in den Mittelpunkt 

Reformatorengruppe um Martin Luther (Foto: © epd-bild / akg-images)

(epd/Luther2017.de) Die Kirchenreform im 16. Jahrhundert war eine europaweite Bewegung, und kein lokal, auf Deutschland begrenztes Ereignis. Neben Martin Luther (1483-1546) gab es weitere wichtige Reformatoren. Das letzte Themenjahr vor dem 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017, das an diesem Samstag (31.10.15) in Straßburg eröffnet wird, will die Aufmerksamkeit auf die internationale Wirkung des dramatischen Wandels in Politik und Kirche am Beginn der Neuzeit lenken. Es steht unter dem Titel „Reformation und die Eine Welt“. Hier stellt luther2017.de einige Protestanten der ersten Stunde in Kurzporträts vor.

Jan Hus
Jan Hus (Foto: Wikimedia Commons)

Jan Hus (um 1370-1415)

Der böhmische Priester und Gelehrte Jan Hus trat bereits ein Jahrhundert vor Luther die Reform der Kirche ein. Durch seine Predigten und Schriften erschütterte Hus grundlegend das Selbstverständnis und die hierarchische Ordnung der Kirche: Er sah als Haupt der Kirche allein Christus, als ihr wahres Fundament die Bibel. Die in seinen Augen sündige Institution Kirche hatte durch Ablasshandel und Unzüchtigkeit ihren Vertretungsanspruch verloren. Eine weitere Neuerung: Hus predigte in Tschechischer Sprache. Der Papst quittierte seine Reformvorschläge 1410 mit dem Kirchenbann. 

1414 wurde er vor das Konzil von Konstanz geladen. Trotz eines von Kaiser Sigismund erteilten freien Geleits wurde er dort als Ketzer verurteilt und 1415 lebendig verbrannt; auch seine Schriften landeten auf dem Scheiterhaufen. Hus erlangte unter den Böhmen große Beliebtheit. Sein Tod löste in seiner Heimat eine religiöse, politische und soziale Revolte sowie einen 18 Jahre andauernden Krieg aus. Heute ist der Tag seiner Hinrichtung Nationalfeiertag in Tschechien, auch der Wahlspruch der Republik stammt von Hus: „Die Wahrheit siegt“. 

Ulrich Zwingli (Foto: epd-bild/akg-images)

Huldrych Zwingli (1484-1531)

Das Wirken von Huldrych (oder auch Ulrich) Zwingli hat das Leben zahlreicher Menschen verändert: Er leitete auf dem Gebiet Zürichs 1519 seine eigene Reformation ein – zwei Jahre nach dem Thesenanschlag in Wittenberg. Zwinglis Almosenordnung von 1525 war eine wichtige sozialpolitische Neuerung: Von nun an waren nicht mehr nur die Kirchen für die Armen- und Krankenfürsorge verantwortlich. Die Stadt Zürich wurde zur Hilfe gegen den grassierenden Hunger verpflichtet. 

Zwingli und Luther trafen sich 1529 in Marburg. Dort kam es zu einem Streit um die Bedeutung des Abendmahls, der erst mehr als 400 Jahre beendet wurde. Im Sommer 1531 drängte Zwingli die Allianz der reformierten Orte zum Krieg gegen die Romtreuen. Am 11. Oktober 1531 gelang den Katholiken bei Kappel ein vernichtender Sieg. 500 Züricher verloren ihr Leben, darunter auch Ulrich Zwingli.

John Knox
(Bild: epd-bild/akg-images GmbH)

John Knox (um 1514-1572)

John Knox war ein Abenteurer. Er organisierte die Reformation in Schottland. Nach der Beteiligung an einem Aufstand im schottischen St. Andrews verbrachte er mehrere Monate in französischer Gefangenschaft auf einer Galeere. Nachdem die katholische Königin Maria Tudor 1553 den englischen Thron bestieg, flüchtete Knox auf den Kontinent. Er wirkte unter anderem in Genf als Schüler Calvins und als Pastor in Frankfurt am Main. Er galt als Polemiker, aber auch als einfühlsamer Seelsorger. Seine Kampfschrift gegen Frauen in Regierungsämtern machte ihn zum Feind von Königin Elisabeth I. von England, die mit seiner Kritik aber gar nicht gemeint war. 

Martin Bucer
(wpd-Bild/akg-images GmbH)

Martin Bucer (1491-1551)

Der elsässische Theologe Martin Bucer gilt als „Erfinder“ der Konfirmation, die zuerst in Hessen eingeführt wurde. Es ist heute das wichtigste Familienfest unter Protestanten. Wie Martin Luther war Bucer zunächst Mönch. Nachdem er 1518 mit Luther zusammentraf verließ er seinen Orden, heiratete eine ehemalige Nonne, und wurde zunächst Hofprediger beim Pfälzer Kurfürsten. Danach war er Pfarrer bei Franz von Sickingen in Landstuhl, später im elsässischen Weißenburg, von 1523 an in Straßburg.

1530 arbeitete Bucer zusammen mit Wolfgang Capito die Confessio tetrapolitana aus, ein eigenes evangelisches Glaubensbekenntnis, das die Stadt Straßburg zusammen mit anderen Städten auf dem Reichstag in Augsburg vorlegte. Dieses Glaubensbekenntnis beschritt bezüglich der Abendmahlsfrage einen theologischen Mittelweg zwischen der Lehre Luthers und Zwinglis – und wurde ebenso wie diese vom Kaiser abgelehnt. Bucer ging später nach England, wo er auch starb. Er wurde in der Hauptkirche von Cambridge beigesetzt, wo er als Professor lehrte. 

Guillaume Farel
(Bild: epd-bild/akg-images GmbH)

Guillaume Farel (1489-1565)

Der französische Gelehrte Guillaume Farel brach 1521 mit dem Katholizismus. Unter dem Einfluss von Zwingli verbreitete er die reformatorische Lehre in Basel, Bern und in Neuchâtel, das sich 1530 der Reformation anschloss. In Straßburg wurde er zum Pastor für französischsprachige Flüchtlinge. Er verfasste die erste reformierte Liturgie in französischer Sprache. Er wirkte unter anderem in Bern und in der französischsprachigen Schweiz. Gemeinsam mit Johannes Calvin (1509-1564) organisierte er die Reformation in der Westschweiz. An Farel erinnert heute das 100 Meter lange Reformationsdenkmal in Genf. Eine der vier Figuren von fünf Metern Höhe zeigen Farel neben Calvin, Knox und Theodore de Bèze, einem weiteren Genfer Reformator französischer Herkunft.  

Thomas Müntzer
(Bild: epd-bild/akg-images GmbH)

Thomas Müntzer (um 1489 bis 1525)

Die Auffassungen des Theologen und Bauernführers Thomas Müntzer unterschieden sich von denen Luthers radikal. So griff er die „Pfaffen“ der alten Kirche und bald ebenso die „Doktörchen“ der Reformationsbewegung an, sie stünden der Reinigung der Christenheit nur im Wege. Stattdessen sah er in den Bauern das Werkzeug zur für ihn notwendigen apokalyptischen Reinigung. Er schloss sich ihrem Aufstand an und bestärkte die Bauern in ihrem Handeln.

Die Stadt Mühlhausen wurde von den Aufständischen eingenommen, Müntzer wirkte als Prediger dort und gewann großen Einfluss in der „freien Stadt“, die er zum Modell einer Stadt des angebrochenen Gottesreiches machen wollte. Nachdem die Stadt von den Fürsten zurückerobert worden war, widerrief er seine Thesen auch unter Folter nicht. Die DDR gab seinem Geburts- und seinem Sterbeort den offiziellen Namenszusatz „Thomas-Müntzer-Stadt“ und bildete ihn auf der 5-Mark-Banknote ab.

Menno Simons
(Bild: epd-Bild/akg-images)

Die Mennoniten

Ende des 16. Jahrhunderts entstanden die Mennoniten. Die Religionsgemeinschaft ist nach dem niederländisch-friesischen Theologen Menno Simons (um 1496-1561) benannt. Die heutigen Mennoniten sind Nachfahren der Täufer-Bewegung, die auch als „linker Flügel“ der Reformation gilt und – auch von anderen Protestanten – grausam verfolgt wurde. Die Täufer setzten sich für radikalere soziale Reformen im Christentum ein als etwa die Reformatoren Luther und Zwingli. Heute sind die Mennoniten eine der historischen Friedenskirchen, weil sie schon früh gegen jede Form von Krieg und Gewalt ihre Stimme erhoben haben. Den Begriff „Wiedertäufer“ weisen die Mennoniten als polemisch zurück. Im 19. Jahrhundert wanderten viele Mennoniten in die USA und nach Kanada aus.