Allein in Deutschland wurden 25 000 Frauen und Männer zu Tode gebracht

Hexenbesen
Hexenbesen (Foto: Sitade/iStockphoto)

Der Vorschlag liegt auf dem Tisch. Ein Arbeitskreis Hexenprozesse, in dem viele engagierte Protestanten zusammengetroffen sind, wirbt seit Monaten bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und den evangelischen Landes­kirchen um die Rehabilitierung der Hexen. Der Wunschtermin: das Reformationsjubiläum 2017. Martin Luther, der Reformator, dessen Thesenanschlag vor 500 Jahren dann gedacht werden wird, habe die Hexen­prozesse in Europa massiv befürwortet und darin seien ihm viele Pfarrer gefolgt.

Luther selbst will in Wittenberg Dämonen gesehen haben

Tatsächlich ging Luther mit vermeintlichen Satansanhängern nicht zimperlich um. Als im Juli 1537 in Erfurt ein angeblicher Zauberer, obwohl er die ihm unterstellten Umtriebe bereut hatte, auf dem Scheiterhaufen brannte, kommentierte das Luther bei Tisch so: „Johannes tat rechtschaffen Buße und brachte mit seinem ­Exempel viele Leute zur Gottesfurcht, und starb mit fröhlichem Herzen.“ Die Exis­tenz des Satans, der Dämonen und ihrer Ge­hilfen, der Hexen, stand für Luther überhaupt nicht in Frage. Hinter der Props­tei von Wittenberg will er persönlich Dämonen gesehen haben.

Das Thema Hexenprozesse ist und bleibt ein dunkles Kapitel in der Geschichte der kirchlichen und staatlichen Gerichte und ein Thema für weitere Forschung. Da ist Unrecht in großem Stil geschehen, auch wenn es dem damals geltenden Recht entsprach. Viele der Urteile kamen nur aufgrund von „Geständnissen“ unter Folter zustande. 25 000 Frauen und Männer verloren allein in Deutschland ihr Leben. Es waren die Richter und ihre Gehilfen, die die Angeklagten zu Hexen gemacht haben. Nur deshalb gab es sie.

Eine Rehabilitierung im juristischen Sinn bringt nichts

Der Arbeitskreis Hexenprozesse spricht wahlweise von einer theologischen be­ziehungsweise moralischen oder sozialethischen Rehabilitierung. Ihm geht es nach eigenem Bekunden darum, dass die Hexen ihre Ehre zurückerhalten, dass „die Schuld von den Seelen der Opfer“ genommen werde, um die Rolle Martin Luthers und der Kirche bei der Hexenverfolgung. Und der Arbeitskreis verknüpft es mit einem aktuellen Anliegen: Die Hexenverfolgung soll als eine der Ursachen für Ausgrenzung und Gewaltanwendung bis ­heute deutlich werden. Die Glaubwürdigkeit der Kirche stehe auf dem Prüfstand, sagt der Arbeitskreis. Denn eine Kirche, die sich heute gegen Gewalt in jeder Form wendet, solle sich konsequenterweise auch gegen solche historischen Verirrungen ­stellen. Eine Rehabilitierung ist mithin ­eine „historische Chance, ein symbolisches Zeichen gegen körperliche und geistige ­Gewalt zu setzen“.

Wie werden Kirche und Staat diesem Thema gerecht? Wahrscheinlich nicht durch eine Rehabilitierung im juristischen Sinn, also mit einer Aufhebung der Urteile und einem Schadensausgleich. Rechtlich waren viele Verfahren nach den Maß­stäben ihrer Zeit korrekt. Dass sie – gerade im Blick auf die Folter – die heute anerkannten Menschenrechte grob verletzten, steht außer Frage. In den wenigsten Fällen lässt sich der Rechtsnachfolger der damaligen kirchlichen und staatlichen Tribunale benennen, nicht anders ist es bei den Opfern. Wann Justizmorde verjähren, ist eine weitere Frage. Für eine Rehabilitierung im eigentlichen Sinn fehlen die rechtlichen Voraussetzungen, aber die moralische Verantwortung von Staat und Kirche bleibt.

Luthers Reden trugen zur Ausbreitung des Hexenwahns bei

Und vor allem die der Geschichtswissen­schaft. Die wissenschaftliche Aufarbeitung der Hexenprozesse ist weit gediehen. Auf sie sollte sich die Kirche konzentrieren. Dass Martin Luthers Reden und die Predigten von Pfarrern zur Ausbreitung des Hexenwahns beitrugen, ist gut zu wissen und vielfach beschrieben. Auch dass in evangelischen wie in katholischen Terri­torien Hexen verfolgt wurden, ist aufschlussreich und bedrückend. Auch die Rolle der einfachen Leute liegt zutage, die teilweise um persönlicher Vorteile willen andere Menschen beschuldigten.

Es gibt niemanden in oder außerhalb der Kirche, der diese Prozesse noch rechtfertigen würde. Ein öffentlicher Rechtsakt könnte diese Selbstverständlichkeit nur unterstreichen. Aber weitere Forschung bringt vielleicht noch neue Erkenntnisse zutage.