Mensch und Mammon: Gespräch mit dem Nürnberger Theologieprofessor Ralf Frisch Die Fragen stellte Hanna Spengler

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(epd):Martin Luthers Ablassthesen beruhten auf der Überzeugung, dass eine Erlösung von Sünden in Form einer Geldzahlung nicht möglich sei. Deshalb warnt der Nürnberger Theologieprofessor Ralf Frisch davor, dem Geld göttliche Macht und eine erlösende Wirkung zuzuschreiben.

Herr Professor Frisch, fast 500 Jahre sind seit der Reformation vergangen. Hängen evangelische Christen nach wie vor Herz und Heilsbegriff zu stark an den Mammon?

Frisch: In der Tat: Geld scheint in unserer Gesellschaft die alles bestimmende Wirklichkeit zu sein. Egal ob man es hat oder nur wenig davon. Der homo oeconomicus, der nutzen- und profitorientierte Mensch ist der Prototyp unserer Gesellschaft geworden. Luthers reformatorische Botschaft ist daher nach wie vor brillant. Wir müssen uns fragen, was uns das Geld geben kann und was nicht, wozu es sinnvollerweise dienen kann und wozu nicht. Geld sichert uns eine Existenzgrundlage, lässt uns zu einem gewissen Grad unbesorgt und vielleicht sogar luxuriös leben. Aber in seelisch-spirituell-existenzieller Hinsicht kann es nie unsere Existenzgrundlage sichern. Im Blick auf die wesentlichen Dinge des Lebens, die letztlich zählen, können wir nicht auf das Geld zählen. Wir merken, dass Geld doch nicht die göttliche Allmacht hat, die wir ihm geben. Geld ist ein guter Knecht, aber ein schlechter Herr.

Während die einen Geld im Überfluss haben, reicht es den anderen oft nicht zum Notwendigsten. Wie viel Geld tut im Leben eines Menschen gut?

Frisch: Eine Zivilgesellschaft wäre ohne Geld nicht denkbar. Jeder braucht es. Die Wirtschaft sichert uns ganz pragmatisch die Lebensgrundlagen. Sie ist Lebensmittel, aber nicht Lebenszweck. Fast alle derzeitigen Diskurse in Politik und Gesellschaft verstehen das Geld indes so, wie der Theologe Paul Tillich Gott verstanden hat: als "das, was uns unbedingt angeht, was über unser Sein und unser Nicht-Sein entscheidet". Das tut dem Geld zuviel Ehre an – in guter wie in böser Hinsicht. Auch hier tut die schlichte lutherische Unterscheidung gut: Geld ist nicht Gott. Wenn wir das Geld seiner vermeintlich unbedingten Macht entkleiden und wenn die wirklich entscheidenden Dinge des Lebens auf uns zukommen, wird es als das sichtbar, was es in der Umgangssprache ist: wertlos. Asche, Kohle, Schotter.

Angesichts stetig neuer Sparzwänge, Inflations- und Rezessionsängste, drohender Altersarmut und Euro-Krise sind Geldsorgen für viele Menschen allgegenwärtig. Was können wir aus der Botschaft der Reformation lernen?

Frisch: Wichtig ist es, wie der Apostel Paulus im ersten Brief an die Korinther anmahnt, immer wieder die Fähigkeit zur Relativierung und zur Distanzierung zu suchen: zu haben, als hätte man nicht – und vielleicht sogar nicht zu haben, als hätte man. Stetig zu fragen: Was dient mir und womit komme ich in Teufels Küche? Faktisch verhalten wir uns aber umgekehrt. Geld ist zu einer herrenlosen Macht geworden, zu einer Gewalt, der alle dienen, die aber ihrerseits niemandem dient, weil sie sich zur gnadenlosen Macht verselbständigt hat. Sie macht uns weder an Leib und Seele heil, sondern ist das Gegenteil der reformatorischen Botschaft: ein Dämon, der abhängig macht, falsche Verheißungen weckt und uns an Leib und Seele unterwirft. In der Bergpredigt erzählt Jesus das Gleichnis von den Vögeln unter dem Himmel und den Lilien auf dem Felde. Er macht damit ein Angebot, wie der Mensch des Glaubens sich ja gelegentlich auch sehen könnte – als Befreiter von der Sorge um Besitz, Existenzsicherung, Gewinnmaximierung, Armut, Inflation und Zusammenbruch der Weltwirtschaft. Der Mensch des Evangeliums sollte sich daher nicht nur als planender, vorsorgender, funktionierender Mensch verstehen, sondern im Blick haben, was wirklich entscheidend ist im Leben. Das wäre dann evangelische Lebenskunst im besten reformatorischen Sinne.


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Dr. Ralf Frisch (44) ist Professor für Systematische Theologie und Philosophie an der Fakultät für Religionspädagogik, Bildungsarbeit und Diakonik an der Evangelischen Hochschule Nürnberg.