In zwei Jahren wird bundesweit das 500-jährige Reformationsjubiläum gefeiert. Mit Blick auf die Bedeutung dieses Ereignisses stellt sich aber noch eine Reihe von Fragen: Hat die Reformation der Welt eine neue Epoche und Glück gebracht? Welche Bedeutung hat sie heute noch in der Gesellschaft? Und was feiern Staat und Kirche 2017 eigentlich genau? Diesen und weiteren grundlegenden Fragen ging am Dienstagabend (02. Juni) der Wissenschaftliche Beirat „Reformationsjubiläum 2017“ auf einer Podiumsdiskussion in Berlin nach.
Chance auf Erinnerung
„Die Reformation hat eine gewaltige Signatur hinterlassen“, erklärte der frühere Verfassungsrichter und Vorsitzender des Beirats, Prof. Dr. Dr. Udo Di Fabio, im voll besetzten Senatssaal der altehrwürdigen Humboldt-Universität. Aus Sicht des Juristen eröffnet das 500. Reformationsjubiläum im Jahr 2017 die Chance, sich „der Wurzeln der westlichen Gesellschaften zu erinnern“. Es lohne sich immer wieder, nach diesen Wurzeln zu fragen, damit identitätsprägende Gewissheiten nicht verloren gehen, sagte Di Fabio.
Mit Blick auf Zuwanderung und religiöse Pluralität erklärte Di Fabio, der an der Bonner Universität öffentliches Recht lehrt, eine Gesellschaft könne große Integrationsleistungen nur bewältigen, wenn sie sich ihrer eigenen Identität bewusst sei.
Die religiöse Pluralität spielte auch für den in Göttingen lehrenden evangelischen Kirchenhistoriker Prof. Dr. Thomas Kaufmann eine Rolle. Seiner Ansicht nach habe die Reformation eine „irreversible Pluralisierung der christlichen Religion“ gebracht sowie die Teilhabe unterschiedlicher sozialer Gruppen am Geistesleben und der gesellschaftlichen Entwicklung ermöglicht. Allerdings sei seiner Ansicht nach die „Pluralität in der evangelischen Kirche nur noch chaostheoretisch zu verstehen“. Die Bindung an die Kirchen sei jedoch heute nicht mehr selbstverständlich. Die Menschen suchten aber weiterhin nach religiösen Erfahrungen und blieben dafür ansprechbar, sagte Kaufmann.