Die Schweizer Bundespolitik deutet – bisher – das Reformationsjubiläum als konfessionelle Angelegenheit und somit als Sache der Kantone, denn Religion wird kantonal unterschiedlich geregelt. Doch selbst im bis vor wenigen Jahrzehnten noch durch und durch reformierten Zürich ist „Zwinglianismus“ für viele Synonym für puritanische Langeweile. Die reformierte Landeskirche erinnerte Stadt, Kanton und Zürich Tourismus daran, dass ein Reformationsjubiläum mehr zu erzählen hätte und nicht nur der Kirche gehört – mit Erfolg. Es wurde als gemeinsame Organisationsplattform der „Verein 500 Jahre Zürcher Reformation“ gegründet, und die Bemühungen, einem angemessenen Jubiläum die nötigen Ressourcen zuzuhalten, laufen auf allen Seiten. Im heute laizistischen Genf wäre solches undenkbar.
Zürichs reformierte Kirche war 4 ½ Jahrhunderte Staatskirche und wurde zum Zeitpunkt ihres höchsten Mitglieder- und Gebäudestandes autonom. Seitdem sinken die Zahlen; erst seit wenigen Jahren schlägt dies durch auf die Finanzen. Nicht unähnlich mit deutschen Kirchen schlucken Restrukturierungen und Spardebatten viel Energie. Im Übergang zur traditionsreichen Minderheit in der multireligiösen Gesellschaft kommen Mutlosigkeit und Rückzug ebenso auf wie frische Ideen und neue Programme.
Hier kommt das Jubiläum gerade recht. Es wird gewiss nicht einfach den Mythos Reformation im Selbstverständnis der Feiernden bespiegeln. Das Jubiläum soll vielmehr dieses Selbstverständnis verändern und Dynamiken wecken zur Umgestaltung und Erneuerung aus den Quellen. Bei weit geöffneten Kirchentüren darf miteinander neu gefragt werden, welche Art Glauben und Kirche der einzelne Mensch, die Gemeinschaft und Welt heute braucht, um in Frieden, Freiheit, Gerechtigkeit Leben in Fülle zu finden.
Martin Breitenfeldt ist Geschäftsführer von „Verein 500 Jahre Zürcher Reformation“