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Auf Spurensuche zwischen Alster und Elbe

Kirchen und Museen, Lutherdenkmäler und Bibliotheken – noch heute lassen sich im gesamten Hamburger Stadtgebiet Spuren der Reformation finden.

In anderen Städten ist der Aufbruch in die Neuzeit mit Unruhen verbunden, in Hamburg wird die Reformation friedlich eingeführt. Blick von der Binnenlaster (Bild: Fitze)

Reeperbahn, Michel, Fischmarkt, Speicherstadt – die Millionenstadt zwischen Elbe und Alster hat viel Sehenswertes zu bieten und verwöhnt mit überragenden Kulturgütern. Der international bekannte Hafen, das „Tor zur Welt“, hat schon immer Menschen aus allen Ländern angezogen und den Ruf Hamburgs als traditionsreiche Handelsstadt begründet. Den kulturellen und wirtschaftlichen Aufschwung verdankte die Stadt auch der Lutherischen Lehre. Mit dem Wegfall der religiösen Reglementierung ihrer Lebensführung taten sich für die Menschen Lebensbereiche auf, in denen sie eigenverantwortlich handeln konnten. So begünstigte dieser Impuls den wirtschaftlichen Aufstieg des Bürgertums. Die Einführung der Reformation 1529 brachte den Hamburgern Fortschritte im Handel, der politischen Teilhabe oder der Kunst – aber sie hatte auch ihre Schattenseiten.

Die Kirche auf dem Kiez

Staunend stehen die Touristen vor den Toren der Kirche – zwischen Bars, Strip-Clubs und Live-Sex-Shows erhebt sich die katholische Kirche St. Joseph in der Straße mit dem Namen „Große Freiheit“. Was wie ein bauliches Versehen wirken mag, ist tatsächlich eine direkte Folge der Reformation. Denn nach deren Einführung durften nur Lutheraner in Hamburg Kirchen bauen. Nur sie erhielten das Bürgerrecht und durften politische Ämter bekleiden. Katholiken siedelten sich deshalb gleich hinter der Grenze an – in Altona, das damals noch kein Teil Hamburgs war. Demnach verdankt die „Große Freiheit“ ihren amtlichen Namen – wie auch die benachbarte „Kleine Freiheit“ – der Religions- und Gewerbefreiheiten, der dort ansässigen Handwerker und Glaubensgemeinschaften. 

Die Kirche St. Joseph ist damit ein Mahnmal für eine Zeit der lutherischen Intoleranz in Hamburg. Doch während anderorts der Übergang zur Neuzeit mit Unruhen verbunden ist, wurde die Reformation in Hamburg friedlich und ohne Blutvergießen eingeführt. Zwar stritt man auch hier heftig, doch am Ende waren die Bürger davon überzeugt, dass allein die Bibel der Maßstab des Glaubens sein könne. 

Schon immer sahen auf der Elbe heimkehrende Seeleute von ihrer Stadt als erstes den „Michel“ (Bild: PeterKraayvanger)

Der Michel 

Ein paar Straßen weiter, vorbei am Millerntorplatz und über den Alten Elbpark hinaus in Richtung Rödingsmarkt, steht eines der ältesten Wahrzeichen Hamburgs. Schon immer sahen auf der Elbe heimkehrende Seeleute von ihrer Stadt als erstes den „Michel“. Wobei man unter „Michel“ eigentlich nur den Kirchturm der Michaeliskirche versteht. Von dem mehr als 132 Meter hohem Turm bietet sich ein grandioser Blick auf den Hafen, das Zentrum und das Umland. Jährlich suchen deshalb mehr als eine Million Touristen das Hamburger Wahrzeichen auf. 

Seine Entstehung verdankt die Kirche St. Michaelis unter anderem der veränderten Begräbniskultur, die sich durch die Reformation etablierte. Nach evangelischem Recht musste ein Friedhof nicht auf eine geweihte Kirche und ihren Kirchhof beschränkt sein. Das hatte zur Folge, dass außerhalb der Stadtmauern ein Friedhof der St. Nikolai-Kirche entstand, der bald zur Keimzelle einer neuen Gemeinde werden sollte. St. Michaelis wurde in einer Kreuzform erbaut, von nur vier mächtigen Pfeilern getragen, sodass von jedem Platz der Blick zu der kelchförmigen Kanzel frei ist. Die Barockkirche steht beispielhaft für den Typus evangelischer Predigtkirchen.  

Die Kirche selbst musste in den vergangen Jahrhunderten mehrfach umgebaut und erneuert werden. So nach einem Brand im Juli 1906. Mithilfe des Senats, der Bürgerschaft und vieler Spender aus aller Welt konnte der Bau in seiner alten Form wieder errichtet werden. Im Zuge des Wiederaufbaus wurde vor der Kirche ein Lutherdenkmal ausgestellt, das den Anspruch auf ein evangelisch-lutherisches Hamburg betonen sollte. 

Der Rathausmarkt und das Hamburger Rathaus (Bild: Henri1407)

Kein Hamburger kniet nieder

Die Cafés in den Arkaden sind voll besetzt und hallen wider von den Gesprächen der Menschen. Auf der Schleusenrücke spielt ein Pianist auf seinem weißen Konzertflügel Sonaten, um ihn herum lauschende Touristen. Menschen bummeln mit ihren Einkaufstüten über den weitläufigen Rathausmarkt, der den Mittelpunkt der Hamburger Innenstadt bildet. Im Zentrum des Platzes befindet sich das Rathaus. In dem eindrucksvollen Repräsentationsbau spiegelt sich das Selbstbewusstsein der Freien- und Hansestadt wider. Das Rathaus ist Sitz des Senats und der Bürgerschaft.

Am Reformationstag 2014 wurde im Großen Festsaal des Gebäudes das Themenjahr „Reformation – Bild und Bibel“ unter dem Wandgemälde „Christianisierung“ eröffnet. Das Gemälde steht stellvertretend für den Einfluss und die Macht von Bildern: Ursprünglich hatte dort vor dem segnenden Bischof Ansgar ein Jüngling gekniet – aber der Künstler Hugo Vogel musste den Knienden auf Geheiß des Senates wieder übermalen, denn kein Hamburger kniet vor einem Anderen nieder. Die ursprüngliche Darstellung ist bei einem bestimmten Lichteinfall noch schemenhaft zu erkennen.

Ein Hinweis auf die Reformation waren die Glasmalereien der Fenster des Bürgerschaftssaals, die ein Porträt des Reformators Johannes Bugenhagen und eine Lutherrose enthielten. In den Bombennächten des Zweiten Weltkrieges sind beide jedoch zerstört worden.

Die Lutherbuche

Etwas außerhalb des Zentrums findet manch ein Spaziergänger Ruhe vor dem Lärm der Stadt. Hier, in einem alten Teil des ehemaligen Dorfes Lokstedt, steht ein Naturdenkmal, dem sich Menschen über den Stadtteil hinaus verbunden fühlen – die „Lutherbuche“. Diese Blutbuche wurde zum vierhundertjährigen Reformationsjubiläum 1917 von der Kirchengemeinde gepflanzt und trägt seitdem den Namen des Reformators.  

Durch ihren gleichmäßigen und ausladenden Wuchs lädt sie heute zum Verweilen ein. Verschiedene Legenden ranken sich um die Lutherbuche. Wer sie umarmt, hofft auf neue Kraft und Mut für wichtige Entscheidungen. Liebende küssen sich unter ihren Ästen und Zweigen, um ihrer Beziehung Dauer zu geben. Wie sehr sich die Menschen der Buche verbunden fühlen, zeigt die Tatsache, dass nach dem Zweiten Weltkrieg sogar die anliegende Straße nach ihr benannt wurde. 

Informationen

Autor:Michael Achhammer Quelle:www.hamburger-reformation.de Datum:04-09-15
Schlagworte:
Hamburg, Reformation, Lutherdekade, Reformationsjubiläum, „Reformation – Bild und Bibel", Johannes Bugenhagen

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