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Standpunkt: Torsten Zugehör

Torsten Zugehör, Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg (Bild: Marko Schoeneberg)

Epochale Veränderungen sind immer untrennbar mit Personen verbunden, die eine Gemeinsamkeit und Identifikation zu einem konkreten Ereignis bilden. Insofern regen die hinter den Geschehnissen stehenden Personen auch im 21. Jahrhundert dazu an, sich mit ihnen zu befassen. Denn diese Interpretation fördert Impulse – gesellschaftlich, politisch und wissenschaftlich.

So ist das auch in Wittenberg, dem Ausgangsort der Reformation. Unsere Stadt ist etymologisch als „Lutherstadt“ fest mit der Person Martin Luther und der Entstehung der Evangelischen Kirche verbunden. Nicht erst seit dem Beginn der Lutherdekade 2008 ist das lutherische Erbe im Bewusstsein und den kirchlichen sowie zivilgesellschaftlichen Debatten angekommen. Ein Eindruck, der nicht nur durch die städtebaulichen Reliquien aus der Renaissance in Wittenberg fest zementiert ist. Bereits mit der friedlichen Revolution in der DDR nahm die kritische Würdigung des Wirkens von Luther ihren Anfang. Gleichzeitig war dies der Impuls für eine Aufarbeitung der Lehre Luthers, die Wittenberg heute ein internationales Antlitz beschert.

Zentraler Gedanke Luthers Erneuerungsbewegung war die Freiheit des Einzelnen sowie der damit verbundene stetige und selbstreflexive Umgang mit der Urteilsfähigkeit. Selber-Denken wird Mittel zum Zweck, die Unvertretbarkeit das Resultat – es bedarf keiner intermediären Instanzen zwischen Gott und Gläubigen. Als Vorbote des Zeitalters der Aufklärung hat die zentrale Botschaft bis heute nichts an ihrer Bedeutung für Politik, Kunst, Kultur und Wissenschaft verloren – freiheitlich-mündig und unerschrocken für seine Überzeugung einzutreten. Im 21. Jahrhundert erfordert Freiheit mehr denn je auch Verantwortung. Determinante dafür ist nach wie vor Bildung, die als universelles Recht, der Unmündigkeit entgegenwirkt und die Freiheit auch des Einzelnen ermöglicht.

Ich freue mich, dass mit der Lutherdekade und seiner thematischen Bandbreite ein Prozess in Gang kam, der 2017 zum Höhepunkt, die Welt nach Deutschland und vor allem auch in die Lutherstadt Wittenberg bringt. Zahlreiche Veranstaltungen während des gesamten Jubiläumsjahres schaffen Raum für die Entdeckung, Begegnung und den Dialog von allen Religionen und Ländern der Erde. Als weltoffene, friedvolle und moderne Stadt möchten wir zum stetigen Erneuern im 21. Jahrhundert durch das 500. Reformationsjubiläum beitragen.


Torsten Zugehör (parteilos) ist seit 2015 Oberbürgermeister der Lutherstadt Wittenberg.