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Kuratoren stellen vor: „Die Pfarrerskinder“ von Johann Peter Hasenclever

Sandra Müller, Projektleiterin bei „Luther und die Deutschen“, schreibt über ein dort ausgestelltes Gemälde von Johann Peter Hasenclever. 

Johann Peter Hasenclever: „Die Pfarrerskinder“. Um 1857, Öl auf Leinwand aus Holzfaserplatte, 25,0 x 21,5 cm. (Bild: © Stiftung Vollmer, Wuppertal)

Johann Peter Hasenclever, einer der bedeutendsten deutschen Maler des 19. Jahrhunderts und Begründer einer sozialkritischen und ironischen Genremalerei in Deutschland, schuf um 1847 das farbenfrohe Gemälde der „Pfarrerskinder“. Hasenclever, der die Kindheit der verschiedensten sozialen Schichten zum Thema der Kunst erhoben hat, gewährt hier einen geradezu intimen Einblick in das private „bürgerliche Leben“. Ein Geschwisterpaar in einem Pfarrhaus macht die Stube wahrhaftig zu einer Bühne, indem es in die Rolle seiner Eltern schlüpft.

Der Junge – hoch gereckt und mit stolzem Blick – trägt das Beffchen und die Perücke seines Vaters, des Pfarrers. Er schreitet, die mächtige Bibel unter dem Arm, durch das aufgebaute Spielzeugdorf, in dem die Schäfchen gen Kirche strömen. Damenhaft eingehakt begleitet ihn seine Schwester auf diesem Kirchgang. Das würdevoll nach unten blickende Kind ist ebenfalls festlich mit Hut und Schleier geschmückt und trägt das Gesangbuch im Arm. Sie merken nicht, dass ihr kindliches Spiel aus dem Nebenraum von ihrer Mutter, der Pfarrersfrau, beobachtet wird, während der Vater, womöglich nach dem Genuss des Weins auf dem Tisch vor ihm, eingenickt ist.

Biedermeieridyll und versteckte Ironie

Bücherregale, Tabakspfeifen und Familienerinnerungen an der Wand betonen die biedermeierliche Pfarrhausidylle. Nur die zwei großen Papageienkäfige über den Pfarrersleuten lassen darauf schließen, dass die Predigten des Kirchenmanns den Leistungen dieser Vögel, Sinnbildern für törichtes Reden, nicht unähnlich sein mögen.

Hasenclever gelang es in diesem Gemälde in augenzwinkernder Weise Mythos und Wirklichkeit des Pfarrhauses ineinander fließen zu lassen und die biedermeierliche Pfarrhausidylle zu karikieren. Er fing eine für das 19. Jahrhundert charakteristische Sicht auf das evangelische Pfarrhaus ein. Erwachsen aus der skandalisierten Verbindung des „wortbrüchigen“ Mönchs Martin Luther mit der entlaufenen Nonne Katharina von Bora, wurde das Urbild des evangelischen Pfarrhauses in späterer Zeit als Hort bürgerlicher Bildung oft geschönt und romantisch überhöht.

Ungeahnte gesellschaftliche und kulturelle Wirkung

Als eine der kulturprägenden Bildungsinstitutionen in Deutschland ging von ihm eine ungeahnte gesellschaftliche und kulturelle Wirkung aus, die bis heute Strahlkraft besitzt. Pfarrer wie Pfarrerskinder standen stets im Dienste der Gemeinschaft, sahen sich in einer entsprechenden gesellschaftlichen Rolle und wurden auch von außen so gesehen.

Das Gemälde von Hasenclever ist eines meiner Lieblingsstücke in der Nationalen Sonderausstellung „Luther und die Deutschen“. Die hohe Aussagekraft kombiniert mit der sozialkritischen Komponente sucht seinesgleichen und macht das Bildnis zu einem Unikum außergewöhnlichen Wertes.


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst.