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Kuratoren stellen vor: Protestbanner und Taube

Anne-Katrin Ziesak, Projektleiterin und Kuratorin der Ausstellung „Der Luthereffekt“ stellt gleich zwei Exponate aus der Nationalen Sonderausstellung in Berlin vor. 

Protestbanner der Hyanglin-Kirche in Seoul. „Weg mit dem Nationalen Sicherheitsgesetz!“; „Gerechtigkeit säen, Frieden ernten!“; „Friedensvertrag statt Waffenstillstand!“. Kunststoff, je 700×90 cm, 2016. (Bild: Hyanglin Presbyterian Church, Seoul)

Protestbanner der Hyanglin-Kirche in Seoul

Die Hyanglin-Kirche in Seoul ist eine politisch engagierte Gemeinde. Seit 1991 erhebt sie mittels Protestbannern, die an der Kirchenfassade aufgehängt werden, politische Forderungen. Bei meinem Aufenthalt in Seoul habe ich dort an einem Gottesdienst teilgenommen. Beeindruckt hat mich die Musik: In der Hyanglin-Kirche werden westliche Kirchenmusik und traditionelle koreanische Instrumente zusammengeführt. Aber auch die Ernsthaftigkeit der Predigt (meine Kollegin übersetzte für mich) und das Miteinander in der Gemeinde fand ich bemerkenswert. So gehörte beispielsweise ein gemeinsames Mittagessen im Anschluss an den Gottesdienst dazu.

Figur einer Taube mit Inschrift: Chosŏn, Pyongyang. Marmor, 7×8×4 cm, 1986, Nordkorea. (Bild: Suh Kwang-Sun David, Seoul)

Taube – Geschenk aus Nordkorea

Die Taube erhielt der südkoreanische Theologe Suh Kwang-sun David als Geschenk  beim ersten Treffen zwischen süd- und nordkoreanischen Christen 1986 in der Schweiz. Dieses unspektakuläre Stück ist für mich ein Lieblingsobjekt, weil ich bei einer Recherchereise nach Seoul 2016 Herrn Suh kennengelernt habe. Da unsere freie Mitarbeiterin für Korea in den 1980er Jahren bei ihm studiert hatte, war schnell eine persönliche Beziehung gefunden. Professor Suh lud uns ein, ihn in seine „Arbeitswohnung“ zu begleiten (ein winziges Zimmerchen mit Schreibtisch und Bett). 

Dort erzählte er uns davon, wie der gewaltsame Tod seines Vaters sein Leben überschattet hat. Die Familie stammt aus dem heutigen Nordkorea; Professor Suhs Vater war Pfarrer und wurde deshalb  erschossen. Erst Jahrzehnte später gelang es Herrn Suh, sich zu befreien, als er sich selbst fragte, wie er Christ und dabei von Hass und Rachewünschen beherrscht sein könne. Er schloss Frieden mit sich selbst, das Zeichen dafür ist die Taube. 1986 war sie ein Geschenk der südkoreanischen Delegation an ihn, weil er bereit war, trotz seines ersten Widerwillens für sie zu dolmetschen.


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst. 

Im Begleitprogramm zur Schau „Der Luthereffekt“, das vom Deutschen Historischen Museum organisiert wird, finden regelmäßig Vorträge und Diskussionen statt. Als nächstes Thema steht Südkorea auf dem Programm. Dazu hält Professor You Jae Lee von der Universität Tübingen einen Vortrag unter dem Titel „Boom! Der Aufschwung des Protestantismus in Südkorea“. Beginn ist am Mittwoch, den 20. September, um 18 Uhr im Auditorium des Deutschen Historischen Museums.