Ablassbriefe – mit Vollkasko ins Jenseits von Michael Achhammer

Um ihren wachsenden Geldbedarf decken zu können, entwickelte die Kirche eines der einfallsreichsten Finanzierungsmodelle der Geschichte  das Geschäft mit dem Ablass. 

„Tetzel's Ablaßkram”, Holzstich, um 1860, nach Zeichnung von Josef Mathias von Trenkwald (Bild: © epd-bild / akg-images)

Zahlen musste jeder, der das Fegefeuer vermeiden wollte. Und wer ganz auf Nummer sicher gehen wollte, der konnte auch gleich noch seine verstorbenen Verwandten und Freunde freikaufen. Möglich machte das der Ablass, eine Art Versicherungs-Police, mit der sich die Menschen für ein paar Münzen gegen die Qualen des Fegefeuers absichern konnten. 

Nach Einkommen gestaffelt

Was aus heutiger Sicht unverständlich erscheint, war in der Zeit des ausgehenden Mittelalters eine reale Angst der Menschen. Angesichts der hohen Sterblichkeitsrate, konnte jeden jederzeit der frühe Tod ereilen, noch ehe er seine im Leben begangenen Sünden begleichen konnte. Die Folge konnten – je nach Schwere der begangenen Straftaten – jahrelange Qualen im Fegefeuer sein.

Zur Erleichterung vieler kam im Mittelalter das Ablasswesen auf. Das gab den Gläubigen die Möglichkeit eine Reduzierung ihrer Sündenstrafen zu erwirken. Ausstellen konnten diese Ablassbriefe nur der Papst, Kardinäle, Bischöfe oder Legaten. Um einen Ablass zu erhalten, wurde den Gläubigen, die ihre Sünde bereut und gebeichtet hatten, bestimmte Pflichten auferlegt – nicht selten gegen eine Geldzahlung. Und eine Versicherungs-Police kostete damals schon einiges. 

Ähnlich unserer heutigen Beiträge in die Krankenversicherung, waren die damaligen Tarife hierfür nach Einkommen gestaffelt. Bezahlt wurde je nach Leistungskraft: Prälaten und Grafen zahlten sechs bis zehn Gulden, Bürger und Kaufleute drei, Handwerker nur einen Gulden. Zum Vergleich: ein gutes Paar Schuhe kostete in etwa einen Gulden. Völlig Mittellose sollten zumindest beten und fasten – das konnte schon einmal jahrelanges Fasten bei Wasser und Brot beinhalten. 

Mit dem Ablassverkauf war dem wachsenden Geldbedarf der Kurie eine gute Einnahmequelle entstanden. Päpste finanzierten damit ihr luxuriöses Leben, die Kriege des Kirchenstaats, den Bau von Kathedralen, Straßen und Brücken. Der Neubau der Peterskirche in Rom ließ den damaligen Papst Leo X. besonders auf den Verkauf der „heiligen Ware“ angewiesen sein. Auch Fürsten und Bischöfe verdienten an dem Verkauf von Briefen, da ein Teil der Gelder in ihre Kassen floss. 

Ablasskasten im Lutherhaus in Wittenberg. In der Kiste wurde vor der Reformation von der katholischen Kirche Geld vom Ablasshandel gesammelt, den Martin Luther angeprangert hatte (Bild: Norbert Neetz)

Der „Tetzelkasten“

Findige Ablassprediger, wie der Dominikanermönch Johann Tetzel (um 1460-1519) verwendeten in ihrem Einzugsgebiet Kästen zum Sammeln der Erlöse aus dem Ablassverkauf. Um die Menschen zum Kauf zu bewegen, ließ Tetzel einen Teufel auf den Kasten malen, der die armen Seelen im Fegefeuer quält. Diese sogenannten Ablassläden ließ er mit seinem berühmten Wahlspruch versehen:  

„Wenn das Geld im Kasten klingt, die Seele aus dem Fegefeuer springt“. Der „Tetzelkasten“ war geboren. Dazu wurden Beichtbriefe angeboten: Wer ihn kaufte konnte sich zweimal im Leben – zu einem beliebigen Zeitpunkt sowie in seiner Todesstunde – von allen Sünden freisprechen lassen, ganz ohne Beichte. Selbst ein Dokument, das bereits verstorbenen Angehörigen volle Gnade zusicherte, konnte erworben werden.

Dabei taten Ablassprediger nichts, was außerhalb der damaligen Ordnung stand – im Gegenteil, in dieser Zeit war der päpstliche Ablass modern und erfolgreich, zugleich aber auch verrufen. Es waren die klassischen Arbeitsbereiche eines Predigers und Inquisitors, die Tetzel wohl um Ostern 1517 nach Jüterbog führten, wo er seine Ablasskampagne fortführte – in unmittelbarer Nähe zu Wittenberg. Das rief Martin Luther auf den Plan, der bereits kurz darauf in Predigten das missbräuchliche Ablasswesen anprangerte. Das gab den Auftakt zu einer Revolution in der Kirche und der Gesellschaft: die Reformation.