„In Erinnerung daran trinken wir" – Reformationsjubiläen durch die Jahrhunderte

Sammeltasse Dekor Reformatoren
(Foto: Stadtgeschichtliches Museum Leipzig)

500 Jahre sind vergangen, seit sich mit dem Thesenanschlag Martin Luthers der Blick auf Kirche und Gesellschaft grundlegend veränderte. Das sind auch 500 Jahre, in denen es vielfach Gelegenheit gab, diese Geburtsstunde der Reformation zu feiern und vor allem in runden Jubiläen zu würdigen. Den Anfang machte Luther selbst, der am 1. November 1527 mit einem guten Freund anstieß: „Zehn Jahre nachdem die Ablässe vernichtet wurden, in Erinnerung daran trinken wir beide getröstet in dieser Stunde".

Antikatholische Polemik und nationale Färbung

Die folgenden Reformationsjubiläen waren fast durchweg von antikatholischer Polemik und nationaler Färbung geprägt: 1617 feierte man ein Glaubensfest im Zeichen der lutherischen Orthodoxie, und auch 1717 stand die Befreiung von der päpstlichen Herrschaft im Mittelpunkt des Gedenkens. Luther wurde als das auserwählte Werkzeug Gottes gegen die Knechtschaft des neuen römischen Babylon gefeiert.

1817 beeinflusste der Sieg über die napoleonische Fremdherrschaft die Feiern und führte zu einer nationalen Ausrichtung des Jubiläums: Luther als deutscher Held und bürgerlicher Idealtypus, vielfach inszeniert in Festumzügen und in der populären Druckgrafik. Der „deutsche Luther“ zog auch 1917 breite Aufmerksamkeit auf sich, zugleich gewann eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Luthers Theologie zunehmende Bedeutung.

Wettstreit der Gedenkfeiern: Reformation gegen Oktoberrevolution

Das letzte Reformationsjubiläum 1967, als 450 Jahre Thesenanschlag gefeiert wurden, fiel für die Lutherstätten Mitteldeutschlands in eine Eiszeit des Verhältnisses zwischen Staat und Kirche in der DDR. Dies zeigte sich im Versuch, die Reformation durch das Konzept der „Frühbürgerlichen Revolution“ zu säkularisieren und in der gezielten Marginalisierung der kirchlichen Veranstaltungen, etwa durch termingleiche Oktoberrevolutions-Feierlichkeiten. In der Bundesrepublik beschränkten sich die Jubiläumsaktivitäten auf lokale Feiern der Landeskirchen. Durch eine zentrale kirchliche Festveranstaltung am 31. Oktober 1967 in Wittenberg sollte zumindest die Fiktion einer gesamtdeutschen Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) aufrecht erhalten werden.

Die Lust am Feiern des Thesenanschlags war 1967 zudem stark eingetrübt worden durch eine seit 1962 geführte Debatte um dessen historische Authentizität: Die 95 Thesen seien nicht angeschlagen, sondern nur verschickt worden. Damit schien die Reformation ihres spektakulären Beginns und das Reformationsfest seiner Symbolkraft beraubt.

Reformator mit oder ohne Hammer

Der „Spiegel" titelte in seiner ersten Ausgabe des Jahres 1966: „Luthers Thesen: Reformator ohne Hammer" und machte aus der durch Erwin Iserloh entfachten wissenschaftlichen Debatte einen konfessionellen Konflikt: „Protestanten können wieder protestieren: Ein Katholik will ihnen weismachen, daß Martin Luther mitnichten den Hammer zur Hand genommen und damit seine 95 Thesen an die Kirchentür zu Wittenberg genagelt hat. Die katholische Behauptung rüttelt an dem heroischen Luther-Bild." Die Schärfe der Debatte erklärt die große öffentliche Resonanz, die ein 2007 gemachter, aber schon seit Jahrzehnten edierter Beleg in der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek Jena erfuhr: dass nämlich nach der schriftlichen Notiz von Luthers Sekretär Georg Rörer „am Tag vor Allerheiligen im Jahre des Herrn 1517 von Dr. Martin Luther Thesen über den Ablass an die Türen der Wittenberger Kirchen angeschlagen wurden."

Diese Auseinandersetzungen liegen inzwischen in der Vergangenheit, das wissenschaftliche Meinungsspektrum in der Angelegenheit ist eine Tatsache. Es stellt aber keineswegs die guten Gründe in Frage, den Thesenanschlag 1517 für gegeben zu halten und ihn zum Anlass des 500-jährigen Reformationsjubiläums zu nehmen.