Für Mägde und Knechte war sie ein Ort der Befreiung, Berufspilger beteten gegen Geld für das Seelenheil anderer, Kriminelle wurden auf Strafwallfahrt hingeschickt: Die Wunderblutkirche von Wilsnack war im Mittelalter berühmt. Nun wird sie saniert.
Luther wollte sie einst dem Erdboden gleichmachen, nun wird sie für mehr als vier Millionen Euro umfassend saniert: Die Wunderblutkirche von Bad Wilsnack in Brandenburg, einst europaweit bedeutender Wallfahrtsort – nur Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela zogen mehr Pilger an – und wichtige Einnahmequelle katholischer Bischöfe, bekommt 500 Jahre nach der Reformation Hilfe vom Staat und der evangelischen Kirche. Der Bund hat das Bauwerk bereits vor einigen Jahren als Denkmal von nationaler Bedeutung anerkannt.
Die Legende von den mit Blutstropfen besprenkelten Hostien, die im 14. Jahrhundert einen Brand überstanden haben sollen und deshalb als heiliges Wunderwerk galten, haben den Ort einst berühmt gemacht. Doch die Reformation setzte dem Pilgertrubel, der Wilsnack Wohlstand brachte, und dem Glauben an die Unzerstörbarkeit des Wunderblutes ein Ende, als der erste evangelische Pfarrer der Kirche, Joachim Ellefeld, die Hostien 1552 verbrannte. Dafür wurde er für sechs Monate ins Gefängnis geworfen und musste die Mark Brandenburg verlassen.
Sieben Bauabschnitte in sieben Jahren
Neben der großen roten Backsteinkirche aus dem 15. Jahrhundert stapeln sich Dachziegel, die Fassade am Eingangsbereich ist bereits eingerüstet. Im Inneren ziehen sich rötliche Wasserspuren unter den Fenstern die Wände herab, auf dem Fußboden breiten sich nahe der feuchten Nordwand grüne Algen aus, an Wänden und Decke fehlt an vielen Stellen der Putz.
Mit ernstem Gesicht und geöffnetem Mund blickt ein Mann nicht weit vom Eingangsbereich in den Kirchenraum. Die lebensgroße Steinfigur aus dem Mittelalter mit der goldverzierten Bischofsmütze scheint bedeutsame Worte an die Gläubigen zu richten. Daneben steht Pfarrerin Anna Trapp. „Sieben Jahre, sieben Bauabschnitte“, sagt die zierliche Frau mit schwarzer Lederjacke und kurzgeschorenen Haaren und berichtet von den drängendsten Bauproblemen.
Der Glockenstuhl musste mit Stahlträgern gesichert werden, damit die Glocke nicht abstürzt und dort überhaupt gearbeitet werden kann. Am Dach wurden bei früheren Reparaturen acht verschiedene Ziegeltypen verbaut, teils dünn, teils mehrere Zentimeter dick. Dadurch sei dort ein Ungleichgewicht von acht Tonnen entstanden, das zu einer Verschiebung des Dachstuhls um bis zu einen Meter geführt habe, erzählt die Theologin: „Und man kann den Dachstuhl nicht zurückschieben.“