Skip to main content

Wunderblutkirche Bad Wilsnack wird saniert

Die Wunderblutkirche St. Nicolai in Bad Wilsnack im Jahre 2004. (Bild: epd-bild/Jochen Purps)

Für Mägde und Knechte war sie ein Ort der Befreiung, Berufspilger beteten gegen Geld für das Seelenheil anderer, Kriminelle wurden auf Strafwallfahrt hingeschickt: Die Wunderblutkirche von Wilsnack war im Mittelalter berühmt. Nun wird sie saniert.

Luther wollte sie einst dem Erdboden gleichmachen, nun wird sie für mehr als vier Millionen Euro umfassend saniert: Die Wunderblutkirche von Bad Wilsnack in Brandenburg, einst europaweit bedeutender Wallfahrtsort – nur Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela zogen mehr Pilger an – und wichtige Einnahmequelle katholischer Bischöfe, bekommt 500 Jahre nach der Reformation Hilfe vom Staat und der evangelischen Kirche. Der Bund hat das Bauwerk bereits vor einigen Jahren als Denkmal von nationaler Bedeutung anerkannt.

Die Legende von den mit Blutstropfen besprenkelten Hostien, die im 14. Jahrhundert einen Brand überstanden haben sollen und deshalb als heiliges Wunderwerk galten, haben den Ort einst berühmt gemacht. Doch die Reformation setzte dem Pilgertrubel, der Wilsnack Wohlstand brachte, und dem Glauben an die Unzerstörbarkeit des Wunderblutes ein Ende, als der erste evangelische Pfarrer der Kirche, Joachim Ellefeld, die Hostien 1552 verbrannte. Dafür wurde er für sechs Monate ins Gefängnis geworfen und musste die Mark Brandenburg verlassen.

Sieben Bauabschnitte in sieben Jahren

Neben der großen roten Backsteinkirche aus dem 15. Jahrhundert stapeln sich Dachziegel, die Fassade am Eingangsbereich ist bereits eingerüstet. Im Inneren ziehen sich rötliche Wasserspuren unter den Fenstern die Wände herab, auf dem Fußboden breiten sich nahe der feuchten Nordwand grüne Algen aus, an Wänden und Decke fehlt an vielen Stellen der Putz.

Mit ernstem Gesicht und geöffnetem Mund blickt ein Mann nicht weit vom Eingangsbereich in den Kirchenraum. Die lebensgroße Steinfigur aus dem Mittelalter mit der goldverzierten Bischofsmütze scheint bedeutsame Worte an die Gläubigen zu richten. Daneben steht Pfarrerin Anna Trapp. „Sieben Jahre, sieben Bauabschnitte“, sagt die zierliche Frau mit schwarzer Lederjacke und kurzgeschorenen Haaren und berichtet von den drängendsten Bauproblemen.

Der Glockenstuhl musste mit Stahlträgern gesichert werden, damit die Glocke nicht abstürzt und dort überhaupt gearbeitet werden kann. Am Dach wurden bei früheren Reparaturen acht verschiedene Ziegeltypen verbaut, teils dünn, teils mehrere Zentimeter dick. Dadurch sei dort ein Ungleichgewicht von acht Tonnen entstanden, das zu einer Verschiebung des Dachstuhls um bis zu einen Meter geführt habe, erzählt die Theologin: „Und man kann den Dachstuhl nicht zurückschieben.“

Der Schrein in der Wunderblutkapelle der Kirche. (Bild: epd-bild/Rolf Zöllner)

Nun werden die Dachziegel nach und nach heruntergeholt, die historischen Stücke aus dem Mittelalter werden aussortiert und kommen später auf das Querschiff der Kirche. Das mehr als 50 Meter lange Längsschiff wird neu gedeckt. „Ich habe eine Bestellung von, glaube ich, ungefähr 80 000 neuen Ziegeln im Mittelalter-Format unterschrieben“, sagt Anna Trapp. Die Wunderblutkirche sei eines der wichtigsten kulturhistorischen Denkmäler in Brandenburg, betont die Theologin: „Wir erhalten, was erhalten werden kann.“

Inzwischen wieder rund 1000 echte Pilger im Jahr

Vom einstigen Rummel mit Pilgern aus aller Herren Ländern ist in Wilsnack nichts geblieben. In der Umgebung der Wunderblutkirche setzen nur noch die griechische Kreta-Taverne und das „Bistro Istanbul“, das neben Döner auch Pizza, Schnitzel und Currywurst auf der Speisekarte hat, ein Pub an der Bundesstraße von Havelberg nach Perleberg und die „Polsterecke Kevin“, die schräg gegenüber vom „Polsterprofi“ feilgeboten wird, ein paar international anmutende Akzente.

Doch seit das Pilgern vor einigen Jahren erneut in Mode gekommen ist, machen sich auch wieder Wanderer auf den alten Strecken nach Wilsnack auf den Weg. Rund 1000 echte Pilger kämen jedes Jahr zur Wunderblutkirche, sagt Anna Trapp. Auch Katholiken suchen das heute evangelische Gotteshaus auf. So wie die rund 80 Ordensschwestern des Berliner Erzbistums, die im vergangenen Jahr ihre Osterwallfahrt nach Wilsnack geführt hat, wenn auch nicht zu Fuß. Dort haben sie dann in der Kirche mit dem Erzbischof eine Messe gefeiert.

Verschiedene Kunstwerke und mittelalterliche Wallfahrtsutensilien der Wunderblutkirche sind bis heute erhalten und werden in einer Dauerausstellung in der Kirche gezeigt, auch die einstige Sensation, der Wunderblutschrein, in dem die heiligen Hostien aufbewahrt wurden. Die Wallfahrer hätten den hölzernen Wandschrank einst nur aus der Ferne durch die Fenster der Kapelle betrachten dürfen und sich wohl dennoch dem Seelenheil sehr nahe gefühlt, sagt Anna Trapp.

Informationen

Autor:Yvonne Jennerjahn/luther2017.de Quelle:epd/Caroline Walker Bynum „Wonderful Blood" Datum:12-07-17
Schlagworte:
Pilgerstätte, Reformationsjubiläum, Bad Wilsnack, Wunderblutkirche, Sanierung

Info

Wunderblutkirche St. Nikolai

An der Nikolaikirche 5
19336 Bad Wilsnack

Besichtigungszeiten:

1. April – 30. September

Montag bis Sonnabend 10:00 – 18:00 Uhr
Sonntag 11:00 – 18:00 Uhr

1. Oktober – 31. März

Montag bis Sonnabend 10:00 – 16:00 Uhr
Sonntag 11:00 – 16:00 Uhr

Kirchenführungen:

Kirchenführungen sowie Turmbesichtigungen können von Einzelpersonen sowie von Gruppen gebucht werden. Anmeldung im Pfarrbüro oder bei der Stadtinformation Bad Wilsnack, Telefon 038791 / 26 20.

Weitere Informationen:

Website der Kirche
Baublog

„Es gab nicht nur Luther“ – Brandenburgs Schwerpunkt zum Reformationsjubiläum

Brandenburg bereitet sich mit einem eigenen Schwerpunkt auf das 500. Reformationsjubiläum 2017 vor. Über den besonderen Landesblick, ein neues Lutherbild und dessen Bedeutung für uns heute sprach der Evangelische Pressedienst (epd) mit dem Kirchenhistoriker Bernd Krebs.

Reformation zwischen Elbe und Elster – Ein Wegweiser

Ein Wegweiser des Städteverbundes „Prediger und Bürger – Reformation im städtischen Alltag“ nimmt die Landschaft zwischen Elbe und Elster in den Blick: Die 191 Kilometer lange Kulturroute lädt zum Entdecken des Kernlandes der Reformation ein.