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Vollversammlung des Lutherischen Weltbunds in Namibia

Teilnehmer an den Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk, Namibia. (Bild: epd-bild/Norbert Neetz)

Die wichtigsten Utensilien an diesem heißen Sonntag sind bunte Schirme, Kopfbedeckungen jeglicher Art und für viele auch ein hoher Sonnenschutz. Im Sam-Nujoma-Stadion in Windhuk sind bei strahlendem Sonnenschein Tausende Menschen aus aller Welt zusammengekommen, um an 500 Jahre Reformation zu erinnern. Die globale Gedenkfeier im Rahmen der zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) in Namibia dürfte eine der größten in Afrika sein.

Seit Mittwoch schon bevölkern rund 800 LWB-Teilnehmer die namibische Hauptstadt. Zum Stadion-Gottesdienst am Sonntag hatten die Veranstalter bis zu 9000 Besucher erwartet. Der namibische Pastor Josef Nghuutoola ist begeistert: „Für uns ist das ein Geschenk. Wir haben alle hier unterschiedliche Hautfarben, sind aber trotzdem eine Gemeinschaft.“ Sie sei darüber einfach nur stolz, stimmt ihm Pastorin Sylvia F. S. Heita zu. Wann habe man schon mal die Chance, Lutheraner aus jedem Winkel der Erde kennenzulernen.

Auch der evangelische Pfarrer Martin Wirth ist beeindruckt vom Erlebnis der weltweiten Kirche. Er ist aus Bad Reichenhall angereist, um die Vollversammlung und den Gedenkakt live mitzuerleben. Die Welt drifte zwar immer mehr auseinander, aber trotzdem seien Lutheraner von überall her hier vereint. „Das ist der Wahnsinn“, sagt Wirth. Der Lutherische Weltbund repräsentiert nach eigenen Angaben mehr als 74 Millionen Christen in 145 Mitgliedskirchen und 98 Ländern.

Laute und bunte Vielfalt

Im Stadion geht es an diesem Sonntag laut und bunt zu. Die Besucher bekommen Lieder und Gesänge aus Namibia, Botsuana, Hongkong oder Kuba zu hören. Kinder und Jugendliche tanzen dazu.

Für Begeisterung und Applaus sorgt auch Zephania Kameeta, früher Bischof, heute Minister für Armutsbekämpfung und soziale Wohlfahrt in Namibia: Man sei hier „in einer schwierigen, nicht abschätzbaren und gefährlichen Zeit in der Menschheitsgeschichte“ zusammengekommen, sagte Kameeta in seiner Predigt. Doch er glaube fest daran, dass „Hass, Gewalt, Gier, die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich, bittere Armut, Ungerechtigkeit, Ausbeutung, Terrorismus, Extremismus, Diskriminierung und Tod nicht das letzte Wort haben“, sagte Kameeta unter dem Applaus der Besucher.

Der scheidende Präsident des Lutherischen Weltbundes, Bischof Munib Younan, sagte in seiner Begrüßung, dass man in Namibia ein Zeichen dafür setzen wolle, dass die Reformation andauere und eine Weltbürgerin sei. Auch LWB-Generalsekretär Martin Junge sagte, die große Zahl an internationalen Gottesdienstbesuchern zeige mehr als alles andere, „wie lebendig die Kirche ist und dass die Reformation weiter geht“.

Der neu gewählte Präsident des Lutherischen Weltbunds, Musa Panti Filibus, (li.) mit seinem Vorgänger, Munib Younan. (Bild: epd-bild/Norbert Neetz)

Das globale Reformationsgedenken im Sam-Nujoma-Stadion sollte der Höhepunkt der zwölften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes in Windhuk sein. Die Namibier sind stolz, Gastgeber einer solchen Veranstaltung zu sein. Die LWB-Konferenz dauert noch bis Dienstag. Sie steht unter dem Motto „Befreit durch Gottes Gnade“.

Nigerianer Filibus ist neuer Präsident

Im Rahmen der Konferenz haben die Teilnehmer den Nigerianer Musa Panti Filibus zum neuen Präsidenten des Weltbunds gewählt. Er will sich für den Kampf gegen Terror starkmachen. „Ich halte es für dringend notwendig, sich mit der Frage der religiös motivierten Gewalt in der heutigen Welt auseinanderzusetzen“, sagte der Theologe nach seiner Wahl am Samstagabend in Windhuk.

Filibus stammt aus dem Norden Nigerias, wo die islamistische Terrorgruppe Boko Haram regelmäßig Anschläge verübt. Die Kirchen in Nigeria hätten in diesem Konflikten niemals geschwiegen, sagte der 57-Jährige. Dennoch hätten vor zwei Jahren viele Kirchengemeinden ihre Aktivitäten einstellen müssen. Die Gefahr von Attacken durch Boko Haram auf Gottesdienste sei zu groß gewesen. Der Erzbischof der Lutherischen Kirche Christi in Nigeria wurde von der LWB-Vollversammlung mit 274 Ja- und 4 Nein-Stimmen bei 25 Enthaltungen gewählt.

Ein weiteres Anliegen des neu gewählten Präsidenten ist die Gleichstellung von Mann und Frau. Filibus war an der Entwicklung eines LWB-Grundsatzpapiers zur Gendergerechtigkeit beteiligt und kündigte an, sich für dessen Umsetzung zu engagieren. Es gehe darum, „wie man Mitgliedskirchen im Blick auf das Verständnis und die Auseinandersetzung mit diesen Fragen unterstützen kann“, sagte er. Allerdings wolle der LWB keiner Mitgliedskirche etwas vorschreiben.

Gender-Frage maßgebliches Thema der kommenden Jahre

Die Gender-Frage nannte – neben theologischer Bildung und diakonischem Handeln – auch der württembergische Landesbischof Frank Otfried July als maßgebliches Thema für die kommenden Jahre. Er wurde als Mitglied des LWB-Rats, des höchsten Gremiums zwischen den LWB-Vollversammlungen, am Sonntag wiedergewählt. Auch zwei deutsche Studenten wurden in den Rat gewählt: die 23-jährige Theologiestudentin Julia Braband aus Elxleben bei Erfurt und der 26-jährige Lasse Schmidt-Klie aus Hannover.

Der Präsident des Päpstlichen Einheitsrates, Kardinal Kurt Koch, würdigte in einem Grußwort während der Wahl den intensiven Dialog zwischen Lutheranern und Katholiken. Das Leid, das man sich über Jahrhunderte auf beiden Seiten angetan habe, könne zwar nicht aus dem historischen Gedächtnis gelöscht werden. Umso mehr freue er sich aber, dass man gemeinsam das Reformationsgedenken begehen könne, sagte der aus der Schweiz stammende Kurienkardinal.

Ein Chor singt bei der Feier zum Reformationsjubiläum. (Bild: epd-bild/Norbert Neetz)

Erklärung zum Völkermord in Namibia verabschiedet

Auf der Vollversammlung wurde auch eine Erklärung zum Völkermord in Namibia verabschiedet, die die deutschen Bischöfe als „historisch“ würdigten. Mit Blick auf die deutschen Kolonialverbrechen zu Beginn des 20. Jahrhunderts ruft der Lutherische Weltbund beide Völker zur weiteren Aufarbeitung auf. In der Erklärung heißt es: „Das Schicksal der Herero, Nama und anderen Ureinwohnern unter deutscher Kolonialherrschaft am Anfang des 20. Jahrhunderts bereitet den Völkern Namibias und Deutschlands bis heute Schmerzen.“

In dem Papier verpflichtet sich der Weltbund auch, den Versöhnungsprozess zwischen Namibia und Deutschland zu begleiten und zu unterstützen, wenn dies gewünscht ist. Der LWB-Vizepräsident und württembergische Landesbischof Frank Otfried July begrüßte die Erklärung. Es sei gut, dass der LWB nicht vorschreibe, wie der Versöhnungsprozess auszusehen habe, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). Dass just bei der Vollversammlung in Namibia der Genozid „deutlich unterstrichen“ werde, sei ein historischer Moment, fügte July hinzu.

Weltbund will Versöhnung begleiten und unterstützen

In der Erklärung „zur Versöhnung im Zusammenhang mit dem Völkermord in Namibia“ heißt es unter anderem, es gebe keine standardisierten, vorgefertigten Lösungen. Namibier und Deutsche müssten gemeinsam klären, „wie Geschichte weitergetragen werden wird, wie Gerechtigkeit gefunden wird und wie Versöhnung vorankommen kann“, betont der LWB in dem Papier. Ernst Gamxamub, Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Republik Namibia, dankte dem LWB für dessen Unterstützung.

Ende April hatte die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Schuldbekenntnis zum Völkermord veröffentlicht. Darin bat sie die Nachkommen der Opfer der Kolonialverbrechen im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor mehr als 100 Jahren um Vergebung. Deutsche Kolonialtruppen hatten in Reaktion auf Aufstände zwischen 1904 und 1908 einen Vernichtungskrieg im Südwesten Afrikas geführt, der als Völkermord gewertet wird. Schätzungen zufolge wurden bis zu 100 000 Herero und Nama getötet oder in den sicheren Tod in der Wüste getrieben. Ein Großteil der Überlebenden wurde ihres Landes enteignet. Deutschland hatte 1884 die Kolonie Deutsch-Südwestafrika im heutigen Namibia errichtet. 1915 kapitulierten die deutschen Truppen. Südafrikanische Truppen besetzten das Land.

Informationen

Autor:luther2017.de/Christiane Ried Quelle:epd/EKM/Evangelisch-lutherische Landeskirche Hannovers Datum:16-05-17
Schlagworte:
Lutherischer Weltbund, Reformation, Vollversammlung, Namibia, Völkermord, Versöhnung