Vom Politikstar Obama bis zum Kabarettisten Hirschhausen: Das vielfältige Programm des evangelischen Kirchentags hat in Berlin und Wittenberg mehr als 100 000 Menschen angezogen. Zum Schluss wurde ein großes Fest in der Lutherstadt gefeiert.
Leuchtendes Orange in der U-Bahn, in der S-Bahn, im Bus und auf der Straße: Mit seinen Tüchern, T-Shirts, Bändern und Programmbüchern hat der 36. Deutsche Evangelische Kirchentag unter dem Motto des Bibelverses „Du siehst mich“ in Berlin auch ganz eigene farbliche Akzente gesetzt. Die Orte der gesellschaftspolitischen Debatten, der Gottesdienste und des umfangreichen Kulturprogramms waren über die ganze Stadt verteilt, die Kirchentagsteilnehmer deshalb viel unterwegs. Es wurde über den Dialog der Religionen, Grenzen der Toleranz und die Verteidigung der Demokratie diskutiert.
Eine Kirchengemeinde aus Brandenburg hat das Thema des Miteinanders auf ihre Weise geklärt. Beim großen Abend der Begegnung zwischen Kanzleramt und Gendarmenmarkt zur Eröffnung des Kirchentags am Mittwoch bietet die Junge Gemeinde Neuruppin veganen Döner an, am Stand daneben verkauft der Rest der Kirchengemeinde Bratwurst, Schmalzstullen und Buletten. „Wir sind alle tolerant“, sagt ein Mann vom Veganerstand dazu und lacht. Rund 200 000 Menschen haben den Abend der Begegnung zum Auftakt besucht.
Höhepunkt des Protestantentreffens zum 500. Reformationsjubiläum war der Auftritt des früheren US-Präsidenten Barack Obama am Brandenburger Tor vor 70 000 Menschen. Auch andere, kleinere Veranstaltungen stießen zum Teil auf so großes Interesse, dass die Räume wegen Überfüllung für weitere Besucher geschlossen wurden, darunter eine Bibelarbeit mit dem Bestsellerautor Bernhard Schlink, die Diskussion des Bischofs der gastgebenden Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge, mit einer Vertreterin der AfD und ein Podium mit SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz im Berliner Dom.
Plädoyer für demokratische Streitkultur
In einer polarisierten Gesellschaft blieb auch der Kirchentag kein Harmonietreffen. Andersdenkende waren ausdrücklich eingeladen. So wurde der Kirchentag zum Plädoyer für demokratische Streitkultur. So erntete Bischof Dröge viel Lob für seine argumentative Sezierung von AfD-Positionen. Für die Einladung einer Vertreterin der AfD hatten die Organisatoren zuvor viel Kritik einstecken müssen.
Auch bei anderen Podien wurde hart gerungen. Eine gemeinsame Predigt von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Militärbischof Sigurd Rink wurde von Friedensaktivisten gestört. Bei einer Debatte über Rüstungsexporte mit Außenminister Sigmar Gabriel wurden Transparente entrollt. Bundesinnenminister Thomas de Maizière wurde ausgebuht – von einigen aber auch beklatscht – für seine Haltung zum Familiennachzug von Flüchtlingen. So viel Protest aus dem Publikum hat es beim Kirchentag lange nicht gegeben.