Sprachliche Polyfonie
Gegenüber der südlichen Seite der Domkirche in Lund steht eine junge schöne Robinie. Sie wurde als Gruß an Baum Nummer 101 im Luthergarten gepflanzt. Am Reformationstag im Jahr 2011 pflanzte Bischöfin Antje Jackelén dort den Baum der Schwedischen Kirche, eine Kleinkronige Winterlinde. Zum selben Anlass wurden gemeinsam mit Vertretern der Kirchen in El Salvador, Papua-Neuguinea, Kenia, Deutschland, Lettland und den USA mehrere Bäume gepflanzt. Unser „schwedischer“ Baum genoss also von Anfang an die Gesellschaft der Kirche in der ganzen Welt! Jeder Baum erhielt Erde und Wasser im Übermaß von den Kindern, die voller Freude und Begeisterung beim Pflanzen mithalfen. Die zahlreichen Sprachen, die an diesem Tag im Luthergarten zu vernehmen waren, bereicherten vielseitig unsere Erfahrung davon, was es heute bedeutet, Kirche zu sein. Eine wesentliche Frage ist: Was ist unveräußerlicher Teil unserer Identität, und was muss reformiert werden, damit die Kommunikation in unserer Zeit als relevant empfunden wird? Die sprachliche Polyfonie ist in höchstem Maße ein Kennzeichen der Reformation. Sicherlich ist es faszinierend, dass Martin Luther in seinem Werk Deutsche Messe und Ordnung des Gottesdiensts von 1526 vorschlägt, beim Gottesdienst der Gemeinde mindestens vier Sprachen zu verwenden? Luther hat hierbei vor allem die Jungen im Sinn, die über sprachliche Grenzen hinweg den Glauben und das Leben kommunizieren können sollen. Wie sieht die sprachliche Polyfonie in unseren Gottesdiensten heute aus?
Die Zukunft wohnt in uns – evangelisch-lutherische Theologie in einem neuen Kontext
In der Schwedischen Kirche ist an vielen Stellen ein Hinwirken darauf wahrzunehmen, die schwedische Sprache um eine weitere zu ergänzen. Falls wir, wie einst Luther, glauben, dass alle Sprachen eine Gabe Gottes sind, in der der Heilige Geist wirkt, ist jeder Schritt aus dem Bereich unserer eigenen Sprache eine Einladung für neue Erfahrungen unseres Glaubens. Nicht selten trifft man bei der Begegnung zwischen verschiedenen Sprachen auf das völlig Unerwartete. Ein Beispiel ist die Gemeinde Berga in der Diözese Linköping. Dort findet der Gottesdienst zweisprachig statt, Arabisch und Schwedisch werden auf Monitoren gezeigt. Zum ersten Mal verstehen die chaldäischen Christen das Gesagte, denn Arabisch zählte auch in ihrem früheren Heimatland nicht zu den üblichen Gottesdienstsprachen. Der zweisprachige Gottesdienst erscheint sowohl den schwedisch wie den arabisch Sprechenden als ein unverhofftes Geschenk!
Großstädtische Gemeinden beispielsweise in Stockholm, Göteborg oder Malmö haben ein Netzwerk gegründet: „Framtiden bor hos – Die Zukunft wohnt in uns“. Im Fokus steht dort die Frage, wie wir eine evangelisch-lutherische Theologie im völlig neuen Zusammenhang einer Kirche entwickeln können, die sich auf dem allgemeinen Priestertum der Gläubigen begründet. In diesem Kontext wird die neue Volkskirche mit Menschen aus aller Welt errichtet.