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Notizen aus ... den USA Luther und Antisemitismus – Reformationsgedächtnis in New York, USA

Besuch der Central Synagogue in New York. Von links: Miriam Groß, Oberkirchenrat Dr. Hauger, Direktor Dr. William Weitzer (Bild: Miriam Groß)

Ganz selbstverständlich ist der Alltag der Megametropole New York mit jiddischen Floskeln verwoben. Mag dies der in vielen Geschäften mit Lachs und Philadelphia belegte „Bagel“ sein, das „Gelt“, mit dem er bezahlt wird, oder das „Schleppen“ von einem wichtigen Termin zum nächsten. Jeder, egal ob jüdischen oder anderen Ursprungs, verwendet selbstverständlich diese und andere Begriffe im Alltag der hektischen Stadt, die wie kein zweiter Ort ein Schmelztiegel verschiedener Nationen zu einem einzigartigen neuen Gebilde geworden ist.

New York ist die zweitgrößte jüdische Stadt der Welt

Wer in den Alltag New Yorks eintaucht, merkt schnell, dass er sich in einer Stadt bewegt, die neben Tel Aviv die zweitgrößte jüdische Stadt der Welt ist, mit mehr als 2,13 Millionen Juden bzw. fast 16 Prozent der Stadtbevölkerung. Nachdem die „Lower East Side“ Manhattans nach mehreren deutschen Einwanderungswellen ab etwa 1880 das bevorzugte Wohnviertel der armen osteuropäischen jüdischen Immigranten geworden war, führte man dort ein Leben wie im alten „Schtetl“. Nach und nach breitete sich die wachsende jüdische Bevölkerung auch auf andere Stadteile aus. Diese weisen bis zum heutigen Tag ein vitales und vielfältiges jüdisches Leben auf, das den Alltag aller prägt.

Aufgrund dieser jüdischen Prägung ist der jüdisch-christliche Dialog in der Megametropole ein wichtiger Bestandteil des gegenseitigen Bemühens und der Aufarbeitung jüdisch-christlicher Geschichte. Gleichzeitig ist New Yorks Geschichte vielfach durch aufeinanderfolgende deutsche Einwanderungswellen mit deutschen Traditionen verwoben. Daher reicht hier die Erinnerung an das Versagen der deutschsprachigen Kirche während der NS-Zeit und der nationalsozialistischen Diktatur so tief bis in die Herzen von Familien jüdischer und deutscher Abstammung. Besonders im Reformationsgedenkjahr ist daher eine Auseinandersetzung mit dieser Geschichte im Angesicht von Luthers antisemitischen Aussagen bedeutsam.

Von links: Oberkirchenrat Dr. Hauger, Prof. Mark Silk, Direktor Dr. William Weitzer (Leo Baeck Institut), Prof. Dean Bell (Bild: Miriam Groß)

Deutsch-amerikanisches Panel ergänzt Ausstellung

Aus diesem Grund haben sich die deutsche evangelisch-lutherische St. Pauls Kirche gemeinsam mit dem Leo Baeck Institute und dem deutschen Generalkonsulat des Themas „Luther und Antisemitismus“ angenommen und im November 2016 ein deutsch-amerikanisches Panel einberufen. Während zeitgleich in der renommierten Morgan Library die Ausstellung „Word and Image: Martin Luther's Reformation“ gezeigt und den zahlreichen Besuchern die Reformation in Wort und Bild nahegebracht wurde, setzte sich das amerikanisch-deutsche Panel mit der problematischen Seite des großen Reformators auseinander: Während Oberkirchenrat Martin Hauger über die Entwicklungen und die von der EKD gefundene kritische Distanz zu Luthers antisemitischen Aussagen informierte, beleuchtete Professor Dean P. Bell Luthers Wirken und seine antisemitischen Äußerungen aus jüdischer Sicht. In einer abschließenden Podiumsdiskussion wurde sich unter der Moderation von Prof. Mark R. Silk vielseitiger Fragen des breiten Publikums angenommen.

Indem man sich mit diesem heiklen Thema im zutiefst jüdisch geprägten Big Apple beschäftigte, wurde ein ambivalenter Aspekt des Reformationserbes angegangen. Eine heilsame und verbindende Aufarbeitung. Auch so kann Reformationsgedenken aussehen: als ein sich verständigendes, annäherndes Gespräch unter Religionsgemeinschaften, das eine Wurzel trägt.

Informationen

Autor:Miriam Groß Datum:27-01-17
Schlagworte:
Eine Welt, Reformation, Judentum, New York

Notizen aus der Einen Welt

Das Reformationsjubiläum ist kein nationales, deutsches oder gar lokal begrenztes Ereignis. Die Reformation ist durch die Jahrhunderte zur „Weltbürgerin“ geworden. In vielen Regionen und Ländern auf allen Kontinenten haben sich reformatorische Gedanken ausgebreitet und reformatorische Ideen dargestellt.