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Luthers Leben als Theaterstück: Auf dem Klo die Gnade Gottes entdeckt

Weder Heiligen-Verehrung noch "Luther-Bashing"

Theaterstück "Play Luther"
(Foto: epd-bild/Play Luther)

Martin Luther entdeckt die revolutionäre Botschaft des Neuen Testaments auf dem Klo. Mit verstopftem Darm liest er dort die heiligen Texte und kommt aus dem Staunen über den Brief des Apostels Paulus an die Römer und die Botschaft von der Gnade Gottes nicht mehr heraus. Diese historisch durchaus belastbare Darstellung ist eine Schlüsselszene in dem musikalischen Theaterstück "Play Luther", das in Stuttgart uraufgeführt wurde.

Autor und Dramaturg Uwe Hoppe weicht in dem knapp 90-minütigen Spiel zwei Fallen geschickt aus. Weder fällt er in die Grube der unkritischen Verehrung Luthers, noch betreibt er ein inzwischen selbst in der evangelischen Kirche häufig gewordenes "Luther-Bashing", bei dem die Lebensleistung des Reformators angesichts seiner Ausfälle gegen Bauern, Juden und Muslime kaum mehr erkennbar wird. Stattdessen zeichnet Hoppe ein buntes Bild des Mannes, der erst Mönch und dann Familienvater war und dessen Kampf für die Freiheit des Glaubens das Gesicht Europas und der Welt verändert hat.

Luther-Lieder in gewagten Arrangements

Die Darsteller Lukas Ullrich und Till Florian Beyerbach zeigen Schlüsselszenen im Leben Luthers - etwa seine Berufung zum Mönch während eines schweren Gewitters oder die lebensgefährliche Verteidigung seiner Schriften auf dem Reichstag zu Worms. In flotten Dialogen übermitteln sie konzentriert und doch verständlich das lexikalische Wissen, das man über den Reformator haben sollte. Und schließlich singen sie in gewagten Arrangements die großen Luther-Lieder, darunter "Ein feste Burg ist unser Gott". Besonders irritierend ist der Choral "Aus tiefer Not schrei ich zu Dir", der mit dem leichtfüßigen Dreivierteltakt einer bayerischen Blaskapelle konterkariert wird.

Die schauspielerische Doppelbesetzung ermöglicht es, die Zerrissenheit des Kirchenkritikers Luther in manchen Fragen effektvoll in Szene zu setzen. Abwägende Gedanken spalten sich auf zwei Personen auf, die den inneren Dialog nachstellen. Das dient zur Veranschaulichung der geistigen Welt an der Schwelle vom Mittelalter zur Neuzeit, und es bringt einem die damals gestellten Fragen näher. Überhaupt will das Stück im Vorfeld des 31. Oktober 2017 - dem 500. Jahrestag des Beginns der Reformation - erklären, was die Menschen damals antrieb, und welche Auswirkungen die Reformation auf Kirche und Gesellschaft gehabt hat.

Moderner Ablasshandel mit Fair-Trade-Produkten

Mit Aktualisierungen hilft Autor Hoppe nach. Wenn man zu Luthers Zeiten die Vergebung der Sünden mit Geld kaufen konnte - ist das wirklich so viel anders als die Reinwaschung des Gewissens heute durch den Kauf von Fair-Trade-Produkten und die Vermeidung von Treibhausgasen? Wenn in der Gegenwart über die Ursachen von Bankenkrise und Klimakatastrophe heftigst gestritten wird - ist das wirklich so weit entfernt von den Glaubenskriegen des 16. und 17. Jahrhundert? Damit provoziert das Stück und zeigt gleichzeitig, dass bestimmte Grundmuster im gesellschaftlichen Diskurs zeitlos sind.

Das gezeichnete Bild von Luther bleibt ungeschönt. Seiner Gedankenschärfe und Sprachgewalt, seiner Genialität als Theologe und seinem Mut steht seine Neigung gegenüber, unliebsame Entwicklung nötigenfalls auch mit Gewalt zu bekämpfen. Das Ausrotten kriegerischer Bauern empfiehlt er ebenso wie in späten Jahren das Anzünden von Synagogen. Seine antisemitische Hetze waren in der Kirchengeschichte zwar bald vergessen, wurde aber von den Nationalsozialisten wieder hervorgekramt und für ihre rassistische Ideologie wirkungsvoll eingesetzt.

Das spartanische Bühnenbild besteht in "Play Luther" aus hölzernen Dreiecken, die die Dreieinigkeit symbolisieren. Die Elemente werden während des Stücks so zusammengebaut, dass daraus eine Halbkugel entsteht. Sie illustriert, dass mit Luther eine neue Welt entstanden ist - aber keineswegs eine vollkommene.


Weitere Aufführungstermine des Theaterstücks "Play Luther" finden Sie im Veranstaltungskalender.

Informationen

Autor:Marcus Mockler Quelle:epd Datum:03-03-14
Schlagworte:
Musik, Theater, Stuttgart, Play Luther