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Luthers Ideen auf Sorbisch – Ausstellung in Bautzen

Die älteste sorbische Lutherbibel von 1728 ist in der Ausstellung „Fünf Jahrhunderte. Die Sorben und die Reformation“ zu sehen. (Bild: epd-bild/Matthias Rietschel)

„Die Sorben und die Reformation“ heißt der Titel einer neuen Ausstellung in Bautzen. Sie beleuchtet erstmals die Geschichte der sorbischen Protestanten in der Lausitz in größerem Stil. Dabei räumt sie auch mit einem weit verbreiteten Gerücht auf.

Zu Tisch bei Phillip Melanchthon wurde vermutlich auch Sorbisch gesprochen. Schließlich hatte der Reformator und Vertraute Martin Luthers mit dem Universalgelehrten Caspar Peucer einen sorbischen Schwiegersohn. Welchen Einfluss die Reformation auf die Sorben hatte, zeigt seit Sonntag eine Ausstellung im sächsischen Bautzen. Das Sorbische Museum auf der Ortenburg widmet sich erstmals ausführlich diesem Thema. In vier Räumen sind Hunderte Exponate zu sehen, darunter die ersten gedruckten sorbischen Bücher.

Vorgestellt wird im Reformationsjubiläumsjahr die 500-jährige Glaubensgeschichte der Minderheit in der Nieder- und Oberlausitz. Der Fokus liege darauf, wie sich sorbische Sprache und Schrift entwickelt haben und welchen Einfluss die reformatorischen Ideen auf das slawische Volk hatten, sagt Kuratorin Andrea Paulick.

Dutzende Dokumente ausgestellt, darunter das älteste gedruckte sorbische Buch

Ein besonders wertvolles Exponat ist das älteste gedruckte sorbische Buch von 1574 mit Luthertexten. Auch die erste sorbische Lutherbibel von 1728 wird präsentiert. Zu sehen sind Dutzende Dokumente sowie Gemälde, aber auch Kleidung wie evangelische sorbische Trachten. Vorgestellt werden zudem regionale Wegbereiter der Reformation in der Lausitz wie Pfarrer Wenzel Warich aus Göda. Er übersetzte 1595 Luthers Kleinen Katechismus ins Obersorbische.

Die Ausstellung räumt mit dem weit verbreiteten Gerücht auf, dass die meisten Sorben katholisch seien. Im Laufe des hundertjährigen Reformationsprozesses hätten sich 90 Prozent der Sorben dem evangelisch-lutherischen Glauben zugewandt, sagt der evangelische sorbische Superintendent, Jan Mahling. Auch heute seien die Protestanten deutlich in der Mehrheit.

Von den rund 40 000 geschätzten Sorben in der Nieder- und Oberlausitz seien etwa 25.000 evangelisch und 15 000 katholisch, sagt er. Da die katholischen Sorben allerdings im Schnitt jünger und aktiver seien und zudem in einem kleineren Gebiet wohnten, entstehe der Eindruck, sie wären in der Mehrheit. Katholische Zentren sind etwa die Region um das Kloster Marienstern und der Domstift in Bautzen.

Ein Kuriosum ist diese Kanzeluhr von 1690. Hier konnte die Gemeinde kontrollieren, wie lange die Predigt dauerte. (Bild: epd-bild/Matthias Rietschel)

Die Wenden – wie die Sorben früher genannt wurden – gehörten zum Königreich Böhmen. Doch in der Lausitz regelten das gesellschaftliche Leben die Stadtregierungen und adligen Gutsherren. Ganz ohne den König entschieden sie als Kirchenpatronen auch über den neuen Glauben.

Diesem Umstand sei es auch zu verdanken, dass sich die Ideen der Reformation in der Lausitz unkomplizierter verbreiteten als anderswo, sagt Mahling. 1521 wurden in Görlitz und Zittau, 1523 in Bautzen und 1527 in Kamenz die ersten evangelischen Predigten gehalten. In Bautzen gab es schon 1524 Deutschlands erste Simultankirche, eine gemeinsame Kirche für Protestanten und Katholiken.

Bedürfnis nach einheitlichen Texten in den Gemeinden war Ausgangspunkt für sorbische Bücher

Die Sorben sind das slawische Volk, das am stärksten von der Reformation Luthers beeinflusst wurde. Im Fokus der Ausstellung stehe Luthers Forderung nach Gottes Wort in der Muttersprache, erläutert Kuratorin Paulick. Die Erfolgsgeschichte der sorbischen Schriftsprache habe mit den reformatorischen Ideen begonnen. In den Kirchgemeinden der Nieder- und Oberlausitz bestand ein Bedürfnis nach einheitlichen Texten. Es war der Ausgangspunkt für die ersten sorbischen Bücher.

Mahling zufolge entwickelten protestantische Pfarrerdynastien über Jahrhunderte diese Sprache. Die Ausstellung zeigt den Stammbaum der Familie Frentzel – eine Dynastie auf sechs Metern einer Papierrolle. Auch Mahling selbst ist bereits in sechster Generation sorbischer evangelischer Pfarrer. Eine sorbische Superintendentur gibt es in Sachsen seit 1948.

Die Bautzener Ausstellung zeigt auch Kurioses: Eine Kanzeluhr von 1690 reiht im verzierten Holzständer fünf sandgefüllte Glaskolben aneinander. Bis alle Körnchen durchgerieselt sind, vergehen eine Stunde und 15 Minuten. „Die Predigten mussten mindestens eine Stunde dauern“, erklärt Mahling. Schließlich wollten die Leute für das Geld, das sie dem Pfarrer gaben, auch etwas haben. Bezahlt wurden die geistlichen Redner nach ihrer Leistung. Kanzeluhren waren in den evangelischen Kirchen im 17. und 18. Jahrhundert verbreitet.

Luther hat die Sorben nie besucht. In einigen seiner zahlreichen Tischreden soll er sich abfällig über sie geäußert haben. „Die Wenden stehlen und sie sind das Schlechteste aller Menschengeschlechter“, zitiert Mahling den Reformator. Melanchthon besuchte Bautzen 1560 und hielt am evangelischen Ratsgymnasium eine Vorlesung.

Informationen

Autor:Katharina Rögner Quelle:epd Datum:29-03-17
Schlagworte:
Reformation, Sorben, Bautzen, Ausstellung, Martin Luther

Info

„Fünf Jahrhunderte. Die Sorben und die Reformation“

Sorbisches Museum
Ortenburg 3
02625 Bautzen

26. März bis 27. August 2017
Dienstag bis Sonntag: 10:00 – 18:00 Uhr

Eintritt 5 Euro, 2,50 Euro ermäßigt

Weitere Informationen unter 
sorbisches-museum.de