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Luther und Kolumbus bringen die Welt aus den Fugen

Sebastian Münster: Neue Inseln als Neue Welt, 1549. Holzschnitt, koloriert, auf Papier. (Bild: Stiftung Eutiner Landesbibliothek, Eutin)

Die Ideen und Entdeckungen von Martin Luther, Christoph Kolumbus (um 1451–1506) und Nikolaus Kopernikus (1473–1543) haben die bis dahin bekannte Welt zu Beginn des 16. Jahrhunderts durcheinandergebracht. Ob durch die „Entdeckung“ eines neuen Erdteils, die Reformation der Kirche oder die Vorstellung eines heliozentrischen Weltbilds: „Luther, Kolumbus und Kopernikus stellten grundlegende, bis dahin als alternativlos geltende Vorstellungen von der Beschaffenheit der Welt in Frage“, erklärt Dr. Thomas Eser, der Kurator der Ausstellung „Luther, Kolumbus und die Folgen“ im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg

Anlässlich des Reformationsjubiläums richtet das Museum in dieser Sonderausstellung den Fokus auf die Folgen dieser bahnbrechenden Veränderungen. Darin veranschaulichen etwa 200 Exponate das Nebeneinander von Aufbruchstimmung und Endzeit-Angst, von Wissensdurst und Neugier-Verbot. Unter anderem sind eigenhändige Manuskripte von Luther, Kolumbus und Kopernikus erstmals in Deutschland zu sehen. 

„Nach der vielbeachteten Ausstellung anlässlich des 500. Geburtstags von Martin Luther 1983 nimmt das Germanische Nationalmuseum erneut ein Reformationsjubiläum zum Anlass für eine Sonderschau. Dem Zeitgeist entsprechend stellen wir die Reformationszeit jetzt in einen breiten mentalitäts- und kulturgeschichtlichen Kontext und ziehen Parallelen bis in die Gegenwart“, zeigt sich Generaldirektor Prof. Dr. Großmann vom Konzept der Schau begeistert. 

Keiner der drei Neuerer wollte große Umwälzungen

Blick in die Ausstellung auf den „Langen Anton“. (Bild: Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg)

Beginnend mit Porträts der drei Neuerer zum Beginn des 16. Jahrhunderts, zeichnet die Ausstellung nach, dass alle drei eher unabsichtlich den Weg für Neues ebneten. Luther wollte ursprünglich den alten Urzustand der Kirche wieder herstellen, Kolumbus suchte den Seeweg nach Indien – Teil der „Alten Welt“ – und auch Kopernikus berief sich mit seinem heliozentrischen Modell auf altes Wissen – die antike Idee der um die Sonne kreisenden Planeten.

Allerdings begann bereits im 16. Jahrhundert die Stilisierung des vermeintlichen Thesenanschlags zum Wendepunkt und Beginn der Reformation. Luther hatte jedoch gar nicht die öffentliche Auseinandersetzung gesucht. Der spätere Reformator strebte ursprünglich einen innerkirchlichen, fachlichen Diskurs über den Ablasshandel an. Die Ausstellung zeigt einen frühen, 1517 entstandenen Thesendruck mit handschriftlichen Hervorhebungen und private Schriftwechsel. Darin erläutert Luther sein Glaubensverständnis. Durch nicht autorisierten Thesendruck in Flugschriften entwickelte sich eine Eigendynamik. 

Forschen am Schreibtisch reicht nicht aus

Im weltlichen Bereich führten Entdeckungsfahrten den Menschen im 16. Jahrhundert deutlich vor Augen, dass allein am Schreibtisch betriebene Forschungen unzureichend waren. Tradiertes Wissen aus alten Büchern wurde zunehmend hinterfragt. Gleichzeitig gewannen eigene Erfahrungen und Experimente an Ansehen. Hier legte das 16. Jahrhundert entscheidende Grundsteine für die moderne Wissenschaft. Ein Nebeneinander von Globen und Karten aus dem 16. Jahrhundert zeigt in der Ausstellung die radikale Wandlung des Weltbilds innerhalb weniger Jahrzehnte. 

Cornelis Jacobsz van Culemborch: Eisberg am Pier von Delfshaven, 1565. Malerei auf Holz. (Bild:
Museum Rotterdam Van de Stad/Dauerleihgabe der Koninklijk Oudheidkundig Genootschap, Amsterdam)

Die Vorstellung von einer offenen und fortschrittlichen Zukunft war Luther und den ihm folgenden Generationen weitgehend fremd. Für sie war Zukunft Endzeit, denn alles Geschehen lief seit der Geburt Christi unerbittlich auf dessen Wiederkehr am Jüngsten Tag zu. Nachdem der Reformator den Papst als Antichrist enttarnt zu haben glaubte, stand der Tag gemäß der Bibel unmittelbar bevor. Diese Vorstellung verunsicherte und ängstigte viele, zugleich beruhigte sie auch mit ihrem Versprechen auf Erlösung aus einer vor dem Zerfall stehenden Welt. Die Einteilung der Welt in Gut und Böse mit Darstellungen des Jüngsten Gerichts wird in der Nürnberger Schau durch Gemälde illustriert.

„Kleine Eiszeit“ sorgte für Hungersnöte und Epidemien 

Ein weiterer Faktor für die Veränderungen des 16. Jahrhunderts war die Abkühlung, die Europa durchlief. Denn die Krisen waren nicht nur von Menschen gemacht, sondern auch die „Kleine Eiszeit“ mit ihrem Höhepunkt zwischen 1560 und 1630 griff ins Leben ein. Hungersnöte und Epidemien waren ihre Folge. Mit den damals aufkommenden Darstellungen von Winterlandschaften endet denn auch die Ausstellung. Die Menschen der Zeit verharrten jedoch nicht in Buße, sondern suchten Schuldige für die Kälteperiode. Flugblätter und Verhörprotokolle aus Zauberei- und Hexereiprozessen zeugen von einer rigorosen, „verhärteten“ Rechtsprechung gegen die Beschuldigten. Zugleich faszinierten Hexenbilder als unmoralische Gegenwelt und Projektionsfläche für Sexualfantasien. 

Zum Ende der Sonderausstellung wird der Bogen in die Gegenwart geschlagen. Hier können Besucher auf Tablets diskutieren und die Ausstellung kommentieren. Das Germanische Nationalmuseum will so zur Diskussion darüber anregen, wie wir heute mit Veränderungen umgehen. Verunsichern sie uns oder geben sie uns Zuversicht für die Zukunft? Lernen wir aus der Geschichte?

Informationen

Autor:luther2017.de Quelle:epd/GNM Datum:13-07-17
Schlagworte:
Reformationsjubiläum, Entdeckungen, Veränderung, Ausstellung, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum

Info

„Luther, Kolumbus und die Folgen. Welt im Wandel 1500–1600“

Germanisches Nationalmuseum
Kartäusergasse 1
90402 Nürnberg

Öffnungszeiten:

13. Juli – 12. November 2017
Dienstag bis Sonntag 10 Uhr bis 18 Uhr
Mittwoch 10 Uhr bis 21 Uhr 

Eintrittskarten:

8 Euro, 5 Euro ermäßigt

Weitere Informationen:

Website zur Ausstellung

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Nürnberg

Ein großer Teil der Nürnberger Bürger bekannte sich schnell zu den lutherischen Lehren. Martin Luther sagte von der Stadt, Nürnberg sei "das Auge und Ohr Deutschlands". Mit 21 Druckereien war Nürnberg die Medienstadt der damaligen Zeit. Durch den Druck der "Flugschriften" verbreiteten sich reformatorische Ideen massenhaft.