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Kuratoren stellen vor: Typoskript zu „Michel bringt die Welt in Ordnung“

Benjamin Hasselhorn, Kurator von „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“, über das Typoskript für Astrid Lindgrens „Michel bringt die Welt in Ordnung“.

Astrid Lindgren: „Michel bringt die Welt in Ordnung“ („Än lever Emil i Lönneberga“), 1970. Typoskript mit handschriftlichen Eintragungen, Kungliga biblioteket Stockholm.

Der Pfarrer kommt nach Katthult und fragt die Knechte und Mägde nach ihren Bibelkenntnissen. Lina fällt durch, weil sie auf die Frage „Wer waren die ersten Menschen?“ mit „Thor und Freya“ antwortet. Michel – im Original Emil, aus Gründen der Verwechslungsgefahr mit Erich Kästners Emil Tischbein im Deutschen geändert – isst die vergorenen Kirschen, die seine Mutter für die Herstellung von Kirschwein benutzt hat. Nachdem er den ersten Rausch seines Lebens erlebt hat, muss er vor die Gemeinde treten, seine Sünde beichten und geloben, nie wieder Alkohol zu sich zu nehmen.

Die Kinderbuchautorin Astrid Lindgren schildert in ihren Geschichten von „Michel aus Lönneberga“ die vom Luthertum und einer pietistischen Moral geprägte Kultur des ländlichen Schwedens zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Das Original-Typoskript von „Michel“ ist derzeit in der Nationalen Sonderausstellung „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ zu sehen, die bis zum 5. November im Augusteum in Lutherstadt Wittenberg läuft. Die Ausstellung beleuchtet die Wirkung Luthers vom 16. Jahrhundert bis in die Gegenwart anhand von 95 Menschen, in deren Leben die reformatorische Botschaft eine besondere Rolle spielt. Zu diesen 95 Menschen gehört auch Astrid Lindgren.

Die Tochter eines schwedischen Pfarrhofpächters schildert in ihren Büchern die lutherische Welt ihrer Kindheit. Darüber hinaus vertritt sie eine an den Ideen Luthers orientierte Ethik der dienstbaren Nächstenliebe. Michel ist zwar ein Lausejunge, aber in entscheidenden Momenten hat er das Herz am rechten Fleck, wenn er etwa die Armenhäusler zum Weihnachtsschmaus einlädt oder wenn er seinem Freund, den Knecht Alfred, der an Blutvergiftung zu sterben droht, in einer heldenhaften Aktion das Leben rettet. Eine andere Figur Astrid Lindgrens, Jonathan Löwenherz, bringt diese Ethik des Dienstes auf den Punkt: „Es gibt Dinge, die man tun muss, sonst ist man kein Mensch, sondern nur ein Häuflein Dreck.“

Immer einen Lutherspruch auf den Lippen hat übrigens Karlsson vom Dach. „Det är en världslig sak“ sagt er, wenn etwas schief läuft. Wörtlich übersetzt: „Das ist ein weltlich Ding“ – ein originaler Luthersatz, der als Redewendung in die schwedische Kultur eingegangen ist und seinen Weg auch in das Werk Lindgrens gefunden hat.


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst. 

Informationen

Autor:Benjamin Hasselhorn Datum:02-08-17
Schlagworte:
Nationale Sonderausstellung, Wittenberg, Luther! 95 Schätze – 95 Menschen, Astrid Lindgren, Michel aus Lönneberga

Info

„Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ 

Augusteum/Lutherhaus
Collegienstraße 54
06886 Lutherstadt Wittenberg

Öffnungszeiten:
13. Mai bis 5. November
Täglich 9 Uhr bis 18 Uhr 

Eintritt:
Einzelticket: 12 € / 8 € ermäßigt
Schüler: 5 €
Gruppen ab 10 Personen: 10 € p. P.
Kombiticket für alle Nationalen Sonderausstellungen: 24 €

Weitere Informationen:
3xhammer.de

Nationale Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017

Einen bedeutenden Höhepunkt stellen die drei Nationalen Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 dar, die in der Lutherstadt Wittenberg, auf der Wartburg in Eisenach und in Berlin gezeigt werden. Sie sind ein zentraler Beitrag der staatlichen Träger im Festjahr 2017, um in einzigartiger Weise an dieses herausragende Ereignis zu erinnern.