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Kuratoren stellen vor: Polemik, Runenstab und Nadelkissen

Anne-Katrin Ziesak, Projektleiterin und Kuratorin der Ausstellung „Der Luthereffekt“, und Ewa Gossart, wissenschaftliche Mitarbeiterin, stellen zwei Exponate aus der Nationalen Sonderausstellung in Berlin vor. 

Polemische Schrift gegen die römische Kirche: „
Om thenn romerska gudztjenste, som nu ähr i Rom och enn tidh longh warit haffwer [...]
“ von Joel Petri Klint (ca. 1540–1608).

Handschrift mit zahlreichen handkolorierten Zeichnungen, zw. 1550 und 1600, Östra Stenby. 33,8 x 22 cm
. (Bild: Linköping, Linköpings stifts- och landsbibliotek, T 138 Fol.)

Joel Petri Klint: „
Om thenn romerska gudztjenste“

Joel Petri Klints reich illustrierte Handschrift ist ein einzigartiges Zeugnis aus der Zeit des reformatorischen Umbruchs in Schweden. Klint war Pfarrer einer kleinen Gemeinde in Östra Stenby in der Nähe von Norrköping. Über mehrere Jahre trug er dort eine scharfe Anklageschrift gegen die päpstlichen Institutionen, die Jesuiten und das Klosterleben zusammen. Seine Schrift versah er mit zahlreichen Illustrationen, darunter mit Abbildungen von Martin Luther und dem Jesuiten Robert Bellarmin (1542–1621), die sich als Protagonisten der wahren und der falschen Lehre gegenüber stehen.

Ich mag diese Handschrift, bezeugt sie doch die energievolle Teilhabe einfacher Menschen an der Reformation. Joel Petri Klint lebte in einem Dorf, verfügte aber dennoch über breite Kontaktnetzwerke, die ihm Zugang zu Wissen über die religionspolitischen Ereignisse in Europa verschafften. Es überrascht immer wieder, wie mobil und gut informiert Menschen zu dieser Zeit waren. (Ewa Gossart)

Runenstab mit Scheide, Neujahrsgabe für Gustav II. Adolf.

Scheide: Täby Gemeinde, 16. Jh., Holz, 106 x 4,8 cm; 
Klinge: Arboga (?), 1590er Jahre, Stahl, 106 x 3,5 cm; 
Griff: 1615, Holz, Silber, Perlmutt

(Bild: Stockholm, Livrustkammaren och Skoklosters slott med Stiftelsen Hallwylska Museet)

Runenstab mit Scheide 

Zu Neujahr 1615 erhält der junge König Gustav II. Adolf als Geschenk ein Schwert mit einer Scheide, die aus einem ehemaligen Runenstab hergestellt worden ist. Auf einer Seite der Scheide ist ein Text eingraviert, der sich auf den Stab des Moses bezieht und diesen durch den Verweis auf das Altnordische „gautr“ mit dem Namen Gustav (Gote) in Verbindung setzt. Das Geschenk steht für die Herrscherattribute, die Gustav Adolf als Nachkommen der Goten von Gott verliehen wurden und in künftigen Kriegen unter Beweis gestellt werden sollten. 

Es ist ein ungewöhnliches, merkwürdiges und letztendlich seltenes Objekt. Inhaltlich und materiell ist es ein Hybrid aus Elementen des Christentums und des Glaubens der Wikinger. Symbolisch steht es für den späteren Einsatz des schwedischen Königs Gustav II. Adolf für die protestantische Seite im Dreißigjährigen Krieg (1618–1648). (Ewa Gossart)

Drei Nadelkissen der Amischen. (Bild: Gavin Ashworth)

Nadelkissen der Amischen

Was haben Nadelkissen mit Religion zu tun, fragt man sich sofort. Knöpfe sind für die Amischen Ausdruck von Luxus, deshalb nutzt man Nadeln für die Befestigung der Kleidung und deshalb braucht man Nadelkissen. Eine zwingende Logik. Allerdings wundere ich mich immer wieder, warum die Nadelkissen so bunt und aufwendig genäht sind. Wäre ein einfach gearbeitetes Nadelkissen aus farblosem, grobem Stoff nicht angemessener? Ich muss mehr erfahren über die Amischen … (Anne-Katrin Ziesak)


In der Rubrik „Kuratoren stellen vor“ schreiben die Kuratoren der Nationalen Sonderausstellungen auf luther2017.de in loser Folge über einzelne Exponate aus den Schauen. Ausgewählt wurden die Ausstellungsstücke von den Autoren der Texte selbst. 

Am 5. November gehen die Nationalen Sonderausstellungen „Der Luthereffekt“ in Berlin, „Luther und die Deutschen“ in Eisenach und „Luther! 95 Schätze – 95 Menschen“ in Wittenberg zu Ende. Das kommende Wochenende ist also die letzte Gelegenheit für einen Besuch. 

Informationen

Autor:Anne-Katrin Ziesak, Ewa Gossart Datum:02-11-17
Schlagworte:
Nationale Sonderausstellung, Berlin, Kuratoren stellen vor, Kunst, Exponat, Gemälde, Fotografie

Info

„Der Luthereffekt. 500 Jahre Protestantismus in der Welt“

Martin-Gropius-Bau
Niederkirchnerstraße 7
10963 Berlin

Öffnungszeiten
12. April bis 5. November 2017
Mittwoch bis Montag 10–19 Uhr
Dienstags geschlossen
Geöffnet am 3. und 31. Oktober 2017
Die Kasse schließt um 18.30 Uhr. 

Tickets
Einzel- und Kombitickets unter 3xhammer.de oder an der Kasse, Gruppentickets nur an der Kasse.

Einzelticket: 12 € 
Ermäßigt (bis 16 Jahre frei): 8 € 
Gruppen (ab 10 Personen): 10 € pro Person 
Kombiticket (alle drei Nationalen Sonderausstellungen): 24 € 
Kombiticket Gruppe: 21 € pro Person

Weitere Informationen
auf der Seite des Deutschen Historischen Museums

Nationale Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017

Einen bedeutenden Höhepunkt stellen die drei Nationalen Sonderausstellungen zum Reformationsjubiläum 2017 dar, die in der Lutherstadt Wittenberg, auf der Wartburg in Eisenach und in Berlin gezeigt werden. Sie sind ein zentraler Beitrag der staatlichen Träger im Festjahr 2017, um in einzigartiger Weise an dieses herausragende Ereignis zu erinnern.