Skip to main content

Joachim Gauck: „Luther hat eine welthistorische Leistung vollbracht“ Interview mit dem Bundespräsidenten

Bundespräsident Joachim Gauck
Bundespräsident Joachim Gauck in seinem Dienstzimmer im Schloss Bellevue in Berlin bei einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).
(Bild: Jürgen Blume / epd-bild)

Bundespräsident Joachim Gauck sieht Martin Luther trotz Kritik an dem Reformator weiterhin als Vorbild. Luther habe einen Epochenwandel hin zur Moderne angestoßen, sagte Gauck anlässlich des 500. Reformationsjubliäums in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Ich denke schon, dass er Vorbild sein kann“, ergänzte er. Gauck hält am Reformationstag in einem staatlichen Festakt in Berlin zur Eröffnung des Jubiläumsjahrs die Hauptrede.

Luther in seiner Zeit lassen

Schritt für Schritt habe Luther eine Sicht auf den einzelnen Menschen entwickelt, „die mit einem ganzen Weltbild bricht“. Er habe die Rolle des Individuums ins Zentrum gerückt, sagte Gauck. Auch seine Idee des Priestertums aller Gläubigen sei ein „unglaublicher Protest“ gegen eine Jahrhunderte lang fest gefügte Institution und gegen kirchliche Obrigkeit gewesen. „Er hat damit den Weg zur Idee der Würde jedes einzelnen Menschen gebahnt“, betonte das Staatsoberhaupt. Luthers Verständnis von der Freiheit, „die eben nicht nur Freiheit von etwas, sondern vor allem Freiheit zu etwas ist“, könne der Politik zudem heute noch als Orientierung dienen.

Mit Blick auf die aktuelle Diskussion über Luther unter Historikern und Theologen, die vor allem antisemitische Haltungen des Reformators neu aufarbeiteten und bewerteten, sagte Gauck, man solle historische Figuren in ihrer Zeit und vor allem in deren Denkmustern sehen und verstehen, „auch wenn uns antijudaistische oder gar antisemitische Haltungen bestürzen und wir sie strikt ablehnen“. Luther habe einen Zug seiner Zeit an sich gehabt, „der als Grobianismus bezeichnet wird“.

Die Rolle der Ökumene 

Das Reformationsjubiläum sieht Gauck als Chance, „dass eine moderne, suchende Gesellschaft in einer verführbaren Welt sieht, dass es mit Luther eine historische Gestalt gibt, die bei der Suche nach Wahrheit und Gerechtigkeit hilft und Gottvertrauen schenken kann“. Der Feind heiße heute Verführungsgesellschaft, die den Menschen einrede, sie müssten sich nur amüsieren und um sich selbst kümmern. Man könne in eine an Werten orientierte Welt wechseln. „Es gibt keine Instanz, die dich zwingt, in der Banalität zu verharren“, sagte Gauck.

Große Erwartungen an ein gemeinsames Abendmahl mit Katholiken hat der frühere evangelische Pfarrer Gauck indes nicht. „Hier habe ich gelernt, meine Wünsche zu begrenzen“, sagte er. „Solange sich ein Teil der Christen noch kein gemeinsames Abendmahl vorstellen kann, braucht es eben noch Zeit“, sagte Gauck. Beide Konfessionen verbinde dennoch inzwischen mehr als sie trenne.

Zum vollständigen Interview

Informationen

Autor:Corinna Buschow und Thomas Schiller Quelle:epd Datum:14-10-16
Schlagworte:
Reformationstag, Bundespräsident Joachim Gauck, Martin Luther, Reformationsjubiläum

Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten startet

Zum Reformationsjubiläum widmet sich der Geschichtswettbewerb des Bundespräsidenten, der von der Körber-Stiftung ausgeschrieben wird, dem Thema Glaube und Religion und seinen Auswirkungen.

„Luther 2017“ zu Gast im Schloss Bellevue

Bundespräsident Joachim Gauck lädt Anfang September zum fünften Bürgerfest in das Schloss Bellevue ein. Mit diesem Fest dankt er den Menschen in Deutschland, die mit ihrem Engagement zu einer starken Zivilgesellschaft beitragen.